Gibt es ein Recht,
Schusswaffen zu besitzen?
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von Thomas Leske

Pistole, die mit Handschellen an ein Verbotsschild gekettet wird

Zusammenfassung Menschen haben ein Anscheinsrecht (engl. prima facie right), Schusswaffen zu besitzen. Dieses Recht ist bedeutsam sowohl in Hinblick auf die Rolle, die Waffenbesitz im Leben von Waffenbegeisterten spielt, als auch auf den Selbstverteidigungsnutzen von Schusswaffen. Dieses Recht wird auch nicht durch den gesellschaftlichen Schaden privaten Waffenbesitzes verdrängt. Dieser Schaden wurde stark aufgebauscht und ist vermutlich erheblich kleiner als der Nutzen privaten Waffenbesitzes. Und ich lege dar, dass der Schaden den Nutzen um ein Vielfaches übertreffen müsste, um ein Verbot von Schusswaffen zu rechtfertigen.

Stichworte: Waffenrecht, ethische Intuition

Zitiervorschlag: . „Gibt es ein Recht, Schusswaffen zu besitzen?“. In Wider die Anmaßung der Politik, Thomas Leske (Hrsg., Übers., Verlag), Gäufelden 2015, ISBN 978-3981761603, S. 4583, Fassung vom 2016-08-02. [Auf einzelne Stellen können Sie über die Randnummern verweisen. Diese entsprechen den Seitenzahlen des englischen Ausgangstexts.]

1 Einleitung

[297] Befürworter einer Reglementierung des Besitzes von Schusswaffen nehmen oft an, die Angemessenheit der Waffengesetze hänge davon ab, ob die Kriminalitätsrate dadurch zu- oder abnimmt. Der Gedanke, dass solche Gesetze Rechte verletzen könnten, kommt selten auf. Auch dem Interesse von Waffenbesitzern, ihre Waffen zu behalten und zu benutzen, wird gewöhnlich kein großes Gewicht beigemessen. So bemerkte einmal ein Kollege, der in dieser Frage unterrichtet, mir gegenüber, dass vom Standpunkt der Rechte im Unterschied zu utilitaristischen Überlegungen wenig zu sagen sei. Das einzige Recht, das vielleicht tangiert werde, sei ein „unbedeutendes Recht – ‚Das Recht, eine Schusswaffe zu besitzen‘“. Gleichermaßen hat Nicholas Dixon seinen Verbotsvorschlag für alle Kurzwaffen als „kleinere Einschränkung“ bezeichnet und das Interesse der Waffenbesitzer, ihre Waffen zu behalten, als „unbedeutend“ gegenüber den Gefahren von Waffen.[1]
Ich halte diese Ansichten für töricht. Ich behaupte, dass Menschen ein Anscheinsrecht haben, Schusswaffen zu besitzen, und dass dieses Recht schwer wiegt, wichtige Interessen schützt und nicht von utilitaristischen Überlegungen verdrängt wird. Um den letzten Punkt zu stützen, werde ich darlegen, dass der Schaden durch privaten Waffenbesitz wahrscheinlich geringer ist als der Nutzen, und dass er diesen ohnehin um ein Vielfaches übertreffen müsste, um das Recht auf Waffenbesitz zu verdrängen.

2 Vorläufige Bemerkungen über Rechte

2.1 Annahmen über die Natur von Rechten

Ich fange mit einigen allgemeinen Bemerkungen über den moralischen Rahmen an, den ich voraussetze. Ich nehme an, dass Menschen zumindest einige moralische Rechte besitzen, die logisch den Gesetzen vorhergehen, die der Staat erlässt, und dass diese Rechte Schranken dafür setzen, welche Art von Gesetzen erlassen werden soll. Ich nehme an, dass wir uns an unsere Intuition richten dürfen, um einige dieser Rechte zu finden. Ein Beispiel [298] ist das Recht, keiner körperlichen Gewalt ausgesetzt zu werden: Intuitiv ist es, ceteris paribus [also unter gewöhnlichen Umständen, A. d. Ü.], falsch für Menschen einander Gewalt anzutun, und das beschränkt, welche Art von Gesetzen moralisch erlassen werden dürfen. Es erklärt beispielsweise, warum der Staat kein Gesetz erlassen darf, demzufolge wöchentlich in jedem Bezirk eine Person zufällig herausgegriffen und ausgepeitscht wird.
Ich würde weiter annehmen, dass wir normalerweise ein Recht haben, zu tun wie uns beliebt, solange kein Grund vorliegt, aus dem uns das nicht gestattet sein sollte; und somit derjenige, der uns das Recht auf eine bestimmte Handlung abspricht, die Beweislast trägt, Gründe gegen das betreffende Recht anzuführen. Umgekehrt muss derjenige, der ein Recht behauptet, nur auf diese angeblichen Gründe eingehen.[2]
Welche Art von Gründen würde zeigen, dass wir kein Recht haben, eine bestimmte Handlung auszuführen? Ziehen wir drei relevante Möglichkeiten in Betracht:
  1. Plausibel ist, dass wir noch nicht einmal ein Anscheinsrecht haben, Dinge zu unternehmen, die anderen schaden, oder sie als bloßes Mittel gebrauchen oder sie ohne deren Einwilligung gebrauchen. Ich habe also keinerlei Anspruch darauf (im Unterschied zu einem Anspruch, der hinter anderen Ansprüchen zurückstehen muss), dass mir gestattet wird, andere Leute zu verprügeln oder auszurauben.
  2. Vielleicht haben wir kein Anscheinsrecht, etwas zu unternehmen, das andere – wenn auch ungewollt – hohen Risiken aussetzt, selbst wenn diese Risiken nicht eintreten. Wenn meine bevorzugte Art der Freizeitgestaltung beinhaltet, dass ich mitten im Wohngebiet mit meinem Gewehr ziellos umher schieße, obgleich ich nicht darauf aus bin, jemanden zu treffen, wird mein angebliches Recht, mich zu amüsieren, zumindest verdrängt, vielleicht aber auch gänzlich ausradiert aufgrund der Gefahr für andere.
  3. Vielleicht haben wir kein Anscheinsrecht, etwas zu unternehmen, das dem vernünftigen Anschein nach von der Absicht zeugt, anderen zu schaden oder sie unerträglichen Risiken auszusetzen. Beispielsweise darf ich nicht mit gezücktem Schwert auf Sie zu rennen, selbst wenn ich tatsächlich nicht beabsichtige, Sie zu verletzen. Das Prinzip erklärt außerdem, warum wir Leute dafür bestrafen, dass sie Straftaten nur versuchen oder sich zu ihnen verabreden.
Es mag andere Arten von Gründen dafür geben, eine Handlung von der Annahme zugunsten der Freiheit auszunehmen. Die obige Liste scheint jedoch die Gründe abzudecken, die für den Bestand eines Rechts, Schusswaffen zu besitzen, relevant sein könnten. Ich nehme insbesondere an, dass die folgende Art von Überlegungen nicht ausreicht, um ein Anscheinsrecht, A zu tun, abzulehnen: Dass eine unauffällige Korrelation zwischen dem Ausführen von A und dem Ausführen anderer unrechtmäßiger Handlungen besteht.[3] Nehmen wir zur Erläuterung an, dass Leser des Kommunistischen [299] Manifests etwas eher als der Durchschnittsbürger versuchen, die Regierung gewaltsam umzustürzen. (Dies könnte daran liegen, dass solche Leute eher zuvor schon Umsturzpläne hegen, und/oder daran, dass das Lesen des Buches gelegentlich Leute dazu bringt, solche Pläne zu schmieden.) Ich nehme an, dass dies nicht zeigen würde, dass es kein Anscheinsrecht gibt, das Kommunistische Manifest zu lesen, obwohl die Lage vielleicht anders wäre, wenn das Lesen des Manifestes eine sehr starke Tendenz hätte, revolutionäre Anstrengungen zu verursachen, oder wenn das Auftreten dieser Wirkung nicht von weiteren freien Willensentscheidungen seitens des Lesers abhinge.

2.2 Um welche Art von Recht handelt es sich beim Recht auf Waffenbesitz

Erstens unterscheide ich zwischen grundlegenden und abgeleiteten Rechten. Ein Recht ist abgeleitet, wenn zumindest ein Teil seines Gewichts aus der Beziehung zu einem anderen unabhängigen Recht herrührt. Ein Recht ist grundlegend, wenn es unabhängig von anderen Rechten Kraft besitzt. Gemäß dieser Definitionen kann ein Recht sowohl grundlegend als auch abgeleitet sein. Für gewöhnlich bezieht sich ein abgeleitetes Recht dadurch auf grundlegende Rechte, dass es als Mittel zu deren Schutz oder Durchsetzung dient, was allerdings nicht die einzige Art sein muss, in der ein Recht abgeleitet sein kann. Ich behaupte, dass das Recht, Schusswaffen zu besitzen, sowohl grundlegend als auch abgeleitet ist; sein abgeleiteter Aspekt, vom Recht auf Selbstverteidigung her, ist jedoch am bedeutendsten.
Zweitens unterscheide ich zwischen uneingeschränkten Rechten und Anscheinsrechten (Prima-Facie-Rechten). Ein uneingeschränktes Recht verfügt über eine überragende Bedeutung, so dass keine Beweggründe seine Verletzung rechtfertigen können. Einem Anscheinsrecht muss ein gewisses Gewicht im moralischem Entscheidungsprozess beigemessen werden, aber es kann durch ausreichend wichtige entgegenstehende Überlegungen verdrängt werden.[4] Wenn also Stehlen aus einem genügend wichtigen Grund erlaubt wäre, etwa um jemandem das Leben zu retten, dann wären Eigentumsrechte nicht uneingeschränkt, sondern gälten allenfalls dem Anschein (prima facie) nach. Es ist zweifelhaft, ob uneingeschränkte Rechte existieren. Jedenfalls empfehle ich keinerlei uneingeschränkten Rechte. Ich behaupte lediglich, dass ein starkes Anscheinsrecht besteht, Schusswaffen zu besitzen.
Es ist wichtig, zwischen Fällen zu unterscheiden, bei denen ein Anscheinsrecht verdrängt wird, von solchen, bei denen eine Ausnahme vom Geltungsbereich eines Rechts vorliegt. Bildlich gesprochen liegt der Unterschied im Entfernen einer Sache aus der moralischen Waagschale einerseits und dem Platzieren von etwas Schwererem in der zweiten Waagschale andererseits. Zur Veranschaulichung des Unterschiedes nehmen wir an, es sei zulässig, einen Angreifer zur Selbstverteidigung zu töten. [300] Dies mag eher durch eine Ausnahme vom Recht auf Leben zutreffen (der Angreifer verliert zeitweise sein Recht, nicht von seinem auserkorenen Opfer getötet zu werden) als durch eine Verdrängung des Rechts auf Leben des Angreifers. Dies ist plausibel, weil die Zulässigkeit einer Tötung zur Selbstverteidigung nicht davon abhängt, dass der Verteidiger entweder ein stärkeres Recht auf Leben hat als der Angreifer oder ein wertvolleres Leben als der Angreifer.[5] Nehmen wir dagegen an, es sei zulässig, einen Unschuldigen zu töten, um tausend anderen das Leben zu retten. In diesem Fall ist plausibel, dass es sich um eine Verdrängung seines Rechts auf Leben handelt statt um eine Ausnahme in seinem Recht auf Leben. In unserem zweiten Fall aber nicht im ersten würden wir nach wie vor sagen, dass die Rechte der getöteten Person verletzt wurden.
Daher erschöpfen die Gründe, die in §2.1↑ für die Weigerung, ein Anscheinsrecht für eine Handlung anzuerkennen, diskutiert wurden, nicht die möglichen Gründe dafür, eine bestimmte Handlung nicht zu erlauben. Wenn keiner der Gründe ersterer Art auf eine gegebene Handlung passt, dann besteht ein Anscheinsrecht, die Handlung auszuführen, aber dieses Recht kann immer noch durch entgegenstehende Gründe verdrängt werden.

2.3 Abwägung von Rechten

Je mehr Gewicht einem Recht zukommt, desto schlimmer ist dessen Verletzung, und um so schwieriger ist es, das Recht zu verdrängen. Ich gehe von drei leitenden Prinzipien zur Gewichtung von Rechten aus. Erstens nimmt – ceteris paribus [also unter sonst gleichen Umständen, A. d. Ü.] – das Gewicht eines grundlegenden Rechts mit seiner Bedeutung für die Pläne einer Person hinsichtlich ihres eigenen Lebens und anderer Zwecke zu. Das heißt nicht, dass jede Handlung, die den Zielen eines Menschen zuwider läuft, eine Rechtsverletzung ist, sondern nur dass falls sie ein Recht verletzt, diese Verletzung um so schlimmer ist, je mehr sie den Zielen des Opfers zuwider läuft.
Bei einigen Theorien des Eigennutzes können die eigenen Absichten von den eigenen Interessen abweichen.[6] In solchen Fällen bin ich der Ansicht, dass das Gewicht eines Rechts zumindest teilweise anhand der Ziele des Rechteinhabers bestimmt werden soll und nicht [301] bloß anhand der tatsächlichen Interessen des Rechteinhabers.[7] Betrachten wir, um diese Ansicht zu begründen, ein Beispiel: Stellen Sie sich einen Gesetzesvorschlag vor, der alle homosexuellen Beziehungen verbietet. Angenommen dessen Befürworter bringen vor, es handele sich bei dem Gesetz allenfalls um eine unbedeutende Rechtsverletzung, weil homosexuelle Beziehungen schlecht seien, und Homosexuelle sich irrten, wenn sie meinen, diese Beziehungen lägen in ihrem eigenen Interesse.[8] Ohne in eine Diskussion über den Wert von Homosexualität einzutreten, können wir intuitiv sagen, dass das Argument der Befürworter ungültig ist: das Gesetz wäre anscheinend eine bedeutende Einschränkung der Bürgerrechte von Homosexuellen, unabhängig davon ob Homosexualität gesund oder tugendhaft ist.[9] Dies lässt sich am besten durch die Hypothese erklären, dass Rechte dem Schutz der persönlichen Autonomie dienen, das heißt der Fähigkeit, die eigenen Pläne für das eigene Leben zu verfolgen, statt dem Schutz der eigenen Interessen aus der Warte eines Dritten.
Zweitens steigt im Falle eines abgeleiteten Rechts der Ernst seiner Verletzung gemäß der Bedeutung des anderen Rechts, dem es dienlich ist. Daher ist unter sonst gleichen Umständen ein abgeleitetes Recht, das dazu dient, das Recht auf Leben zu schützen, wichtiger als eines, welches das Recht auf Eigentum schützt.
Drittens hängt der Ernst der Verletzung eines abgeleiteten Rechts außerdem davon ab, wie wichtig das abgeleitete Recht für die anderen Rechte ist, denen es dient. Beispielsweise ist die Zensur von regierungskritischen Büchern eine schlimmere Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit als eine Zensur pornographischer Erzeugnisse, weil die Möglichkeit, politische Kritik zu veröffentlichen, wichtiger für den Schutz anderer Rechte ist als die Möglichkeit, Pornographie zu veröffentlichen.
Eine schlimme Rechtsverletzung ist daher nicht gleichbedeutend mit der Verletzung eines wichtigen Rechts. Man kann ein wichtiges Recht geringfügig verletzen, was nur eine mittelschlimme Rechtsverletzung zur Folge hat. Bei den schlimmsten Rechtsverletzungen handelt es sich um diejenigen, welche wichtige Rechte erheblich verletzen. [302]

3 Gibt es ein Anscheinsrecht auf Waffenbesitz?

Ausgehend von der Vermutung zugunsten der Freiheit besteht zumindest ein Anscheinsrecht darauf, eine Schusswaffe zu besitzen, solange es keine eindeutigen Anhaltspunkte der in §2.1↑ besprochenen Art gibt, ein solches Recht abzustreiten. Bestehen derartige Gründe?
  1. Beginnen wir mit dem Prinzip, dass man kein Recht hat, etwas zu tun, das anderen schadet, sie als bloßes Mittel gebraucht oder sie ohne ihre Zustimmung gebraucht. Es fällt schwer sich vorzustellen, wie der bloße Besitz einer Schusswaffe irgendetwas in dieser Art bewerkstelligen sollte, obgleich der Besitz einer Waffe solche Taten erleichtert, sollte sich der Besitzer zu ihnen entschließen. Wir verbieten jedoch für gewöhnlich keine Handlungen, die es lediglich erleichtern, eine Missetat zu begehen, aber eine gesonderte Entscheidung erfordern, um sie auszuführen.
  2. Nehmen wir das Prinzip, dass man kein Recht hat, Dinge zu tun, die anderen unerträgliche – wenn auch ungewollte – Risiken aufbürden. Weil das Leben voller Risiken steckt, muss das Prinzip, um plausibel zu sein, eine Festlegung beinhalten, welche Risiken als untragbar gelten. Die Risiken, welche vom gewöhnlichen Waffenbesitz und Freizeitgebrauch von Waffen ausgehen, sind jedoch minimal. Während nun ungefähr 77 Millionen Amerikaner Waffen besitzen,[10] ist die relative Zahl von Unfalltoten im Laufe des letzten Jahrhunderts dramatisch gesunken und liegt nun bei ungefähr 0,3 von 100.000 Einwohnern. Zum Vergleich: Es ist für den Durchschnittsbürger 19-mal wahrscheinlicher, bei einem Unfall in den Tod zu stürzen, und 50-mal wahrscheinlicher, bei einem Autounfall zu sterben, als infolge eines Unfalls mit Schusswaffen zu sterben.[11]
  3. Manche mögen denken, die Unfallstatistiken gingen am eigentlichen Problem vorbei: Das wahre Risiko des Waffenbesitzes für andere bestehe in der Gefahr, dass der Waffenbesitzer oder jemand anderes im Streit „die Kontrolle verliert“ und sich entschließt, seinen Widersacher zu töten. Nicholas Dixon legt dar: „Im Jahre 1990 wurden 34,5 % aller Morde im häuslichem oder sonstigen Streit verübt. Denn wir sind alle zu hitzigen Auseinandersetzungen fähig, und wir sind alle unter den falschen Umständen zum Kontrollverlust und dem Töten unseres Widersachers fähig.“[12] Im Zuge [303] der Antwort sollten wir zuerst die Ungültigkeit seiner Schlussfolgerung anmerken. Angenommen 34,5 % der Menschen, die eine Meile in unter vier Minuten laufen, haben schwarzes Haar, und ich bin schwarzhaarig. Daraus folgt nicht, dass ich eine Meile in weniger als vier Minuten laufe. Es liegt nahe, dass nur sehr atypische Individuen auf einen hitzigen Streit mit dem Töten ihrer Widersacher reagieren. Zweitens werden Dixons und McMahans Behauptungen durch die empirischen Befunde widerlegt. In den größten 75 Bezirken der Vereinigten Staaten hatten 1988 über 89 % der erwachsenen Mörder zuvor einen Eintrag im Führungszeugnis.[13] Dies bestätigt, was der gesunde Menschenverstand sagt, nämlich dass es für normale Menschen extrem unwahrscheinlich ist, einen Mord zu begehen, selbst wenn sie die Mittel dazu haben. Daher stellt Waffenbesitz typischerweise kein untragbares Risiko für andere dar.
  4. Betrachten wir die Meinung, dass Menschen kein Recht haben, Handlungen auszuführen, die vernünftigerweise als Beleg für die Absicht erscheinen, anderen zu schaden oder ihnen untragbare Risiken aufzubürden. Dieses Prinzip greift hier nicht, da von allen Seiten zugegeben wird, dass nur ein winziger Bruchteil der 77 Millionen Waffenbesitzer vorhat, mit Waffen Straftaten zu begehen.
  5. Man kann behaupten, die gesellschaftlichen Gesamtkosten privaten Waffenbesitzes seien erheblich und der Staat nicht in der Lage, diejenigen Personen zu bestimmen, die ihre Waffe missbrauchen wollen. Daher verbleibe dem Staat als einzig gangbare Methode, die gesellschaftlichen Kosten zu senken, selbst unbescholtenen Bürgern den Besitz von Schusswaffen zu verbieten. Aber dies ist kein Argument gegen ein Anscheinsrecht auf Waffenbesitz. Es ist nur ein Argument zur Verdrängung eines jeden derartigen Rechts. Im Allgemeinen zeigt die Tatsache, dass die Einschränkung einer Handlung günstige Konsequenzen hat, nicht, dass der Freiheit, sie durchzuführen, kein Gewicht beigemessen werden soll; sie zeigt lediglich, dass es widerstreitende Gründe gibt, die Handlung nicht zu erlauben. (Zum Vergleich: Angenommen, dass die Wegnahme meines Autos und die Übertragung desselben an Sie die gesellschaftliche Wohlfahrt insgesamt verbessert. Daraus würde nicht folgen, dass ich keinerlei Anspruch auf mein Auto habe.)
Es fällt schwer, die Existenz zumindest eines Anscheinsrechts auf Waffenbesitz zu bestreiten. Aber dies sagt nichts über die Stärke dieses Rechts aus und auch nicht über mögliche Gründe zu seiner Verdrängung. Die meisten Verfechter einer Reglementierung von Schusswaffen würden nicht bestreiten, dass ein Anscheinsrecht auf Waffenbesitz besteht, sondern behaupten, dass es sich um ein untergeordnetes Recht handele, und dass privater Waffenbesitz vergleichsweise sehr großen Schaden anrichte. [304]

4 Ist das Recht auf Waffenbesitz bedeutsam?

Ich werde meine Überlegungen zum Waffenrecht auf den Vorschlag beschränken, alle Feuerwaffen in Privatbesitz zu verbieten.[14] Dies würde das Anscheinsrecht auf Waffenbesitz verletzen. Ich behaupte, dass die Rechtsverletzung sehr schlimm wäre sowohl aufgrund des Stellenwerts, den Waffenbesitz im Leben von Waffenbegeisterten hat, als auch wegen der Beziehung zwischen dem Recht auf Waffenbesitz und dem Recht auf Selbstverteidigung.

4.1 Der Freizeitwert von Schusswaffen

Der Freizeitgebrauch von Schusswaffen beinhaltet Scheibenschießen, verschiedene Arten von Schießwettbewerben und die Jagd. In Diskussionen über das Waffenrecht messen die Teilnehmer dem Freizeitwert so gut wie nie ein Gewicht bei,[15] vielleicht weil dieser Wert zunächst gering erscheinen mag angesichts der Todesfälle, die durch Waffen verursacht oder verhindert werden. Das Beharren darauf, dass Menschen ein Recht darauf haben, über die Art ihrer Freizeitgestaltung selbst zu entscheiden, wirkt in diesem Zusammenhang vielleicht unangebracht; ist es aber nicht. Betrachten wir zwei Formen, den der Vorwurf der Unangemessenheit annehmen könnte.
Erstens könnte man denken, dass Menschenleben der Freizeitgestaltung lexikalisch übergeordnet seien (grob gesagt: unendlich wertvoller seien), so dass kein Betrag an Freizeitwert auch nur einen vorzeitigen Todesfall ausgleichen könne.[16] Dies kann nicht [305] darauf hinauslaufen, dass eine Gefahr für Menschenleben nie hingenommen werden soll, weil es unmöglich ist, alle derartigen Gefahren auszuschließen. Stattdessen unterstelle ich, dass wer einen unendlichen Wert für Menschenleben bejaht, eher eine Maximierung der Lebenserwartung im Sinn hat.[17]
Diese Position ist nicht plausibel, weil Freizeit eine Hauptquelle des Genusses ist, und Genuss (mindestens) einen großen Anteil daran hat, das Leben lebenswert zu machen. Betrachten wir die Spannweite von Unternehmungen, deren Hauptwert in der Zerstreuung liegt oder allgemeiner im Lustgewinn: Sex ohne Fortpflanzungsabsicht, Lesen von Romanen, Film- und Fernsehkonsum, Gespräche mit Freunden, Hören von Musik, Essen von Nachspeisen, Ausgehen in ein Lokal, Spielen von Gesellschaftsspielen usf. Wäre es vernünftig all diese Unternehmungen aufzugeben, wenn man dadurch die eigene Lebenserwartung um sagen wir fünf Minuten verlängern könnte? Oder nehmen wir an, dass eine Fahrt zum Stadtpark die eigene Lebenserwartung geringfügig herabsetzt (wegen der Gefahr von Verkehrsunfällen, kriminellen Passanten, Tröpfcheninfektion usw.). Wäre es unvernünftig die Fahrt anzutreten – egal wie sehr man den Park genießt?
Zweitens könnte man mit mehr Plausibilität behaupten, dass der Wert der Menschenleben, die durch ein Waffenverbot gerettet würden, schlicht viel größer sei als der Freizeitwert von Schusswaffen. Es liegt nicht auf der Hand, dass dies stimmt, selbst wenn ein Waffenverbot die jährliche Zahl von Todesfällen im Zusammenhang mit Schusswaffen erheblich verringern würde. Viele Waffenbesitzer scheinen tiefe Zufriedenheit aus dem Freizeitgebrauch von Schusswaffen zu ziehen, und es lässt sich ohne Übertreibung sagen, dass für viele das Freizeitschießen eine Lebensart ist.[18] Des Weiteren gibt es sehr viele Waffenbesitzer. Einer groben Schätzung nach ist die Zahl der Waffenbesitzer zweitausend mal größer als die Zahl von Todesfällen im Zusammenhang mit Schusswaffen.[19] Selbst wenn wir optimistisch davon ausgehen, dass ein erheblicher Anteil [306] von Hobbyschützen auf andere Formen der Freizeitgestaltung ausweichen könnte und würde, sollten wir folgern, dass der Gesamtnutzen von Waffengesetzen stark überschätzt wird von denjenigen, die den Freizeitwert von Schusswaffen beiseite schieben. Aus offensichtlichen Gründen lässt sich der Nutzen aus dem Freizeitgebrauch von Schusswaffen nicht leicht beziffern und auch nicht mit dem Wert der Menschenleben vergleichen, die durch Waffengewalt sterben. Das ist jedoch kein Grund, ersteren zu vernachlässigen, wie es die Teilnehmer von Waffenrechtsdiskussionen oft tun.
Dennoch ist unser vorgebrachtes Anliegen nicht überwiegend utilitaristisch. Die Überlegung an dieser Stelle lautet, dass das Anscheinsrecht von Waffenbegeisterten auf Waffenbesitz bedeutend ist angesichts des zentralen Stellenwertes, den dieser Besitz in ihrem gewählten Lebensstil einnimmt. Ein Verbot des Waffenbesitzes würde einen großen Eingriff in ihre eigenen Lebenspläne bedeuten. Gemäß dem Kriterium, das in §2.3↑ vorgelegt wurde, reicht dies aus, um zu zeigen, dass ein solches Verbot eine schlimme Rechtsverletzung wäre.

4.2 Das Recht auf Selbstverteidigung

Das Hauptargument der Befürworter von Waffenbesitz lautet wie folgt:
  1. Das Recht auf Selbstverteidigung ist ein wichtiges Recht.
  2. Ein Verbot von Schusswaffen wäre eine erhebliche Verletzung des Rechts auf Selbstverteidigung.
  3. Deshalb wäre ein Verbot von Schusswaffen eine schlimme Rechtsverletzung.
Die Stärke der Schlussfolgerung hängt von der Stärke der Prämissen ab: Je wichtiger das Recht auf Selbstverteidigung ist, und je schlimmer Waffenbeschränkungen als Verletzung dieses Rechts sind, desto schlimmer ist die Rechtsverletzung durch Waffenverbote.
Ich fange damit an darzulegen, dass das Recht auf Selbstverteidigung äußerst schwer wiegt. Betrachten wir dieses Szenario:
Beispiel 1 Ein Mörder bricht in ein Haus ein, wo sich zwei Menschen aufhalten – nämlich „das Opfer“ und der „Komplize“. (Der „Komplize“ braucht zuvor nichts mit dem Mörder zu tun zu haben.) Während der Mörder das Schlafzimmer betritt, wo sich das Opfer versteckt, tritt der Komplize durch eine andere Tür ein und hält es aus irgendeinem Grund fest, solange der Mörder es ersticht.
In diesem Szenario begeht der Mörder die wohl denkbar schlimmste Art Rechtsverletzung. Was ist mit dem Komplizen, der das Opfer festhält? Die meisten werden zustimmen, dass dieses Verbrechen dem Unrechtsgehalt von Mord nahe kommt, wenn nicht sogar auf derselben Stufe steht, obschon er es weder tötet noch verletzt. Fasste man seine Handlung als bloßes Festhalten für wenige Augenblicke auf, [307] erschiene sie als unbedeutende Rechtsverletzung. Sie ist dadurch so verkehrt, dass sie das Opfer daran hindert, sich entweder zu verteidigen oder vor dem Mörder zu fliehen; das heißt sie verletzt das Recht auf Selbstverteidigung. (Jemand absichtlich und gewaltsam daran zu hindern, von einem Recht Gebrauch zu machen, bedeutet dieses Recht zu verletzen.) Wir könnten auch sagen, das Verbrechen des Komplizen habe darin bestanden, Beihilfe bei der Durchführung des Mordes zu leisten. Meiner Ansicht nach ist dies keine alternative Erklärung des Unrechtsgehaltes seiner Handlung sondern nur eine Umformulierung der ersten Erklärung. Weil das Recht auf Selbstverteidigung ein abgeleitetes Recht ist, das dem Schutz des Rechts auf Leben dient – neben dem von weiteren Rechten, verursachen oder ermöglichen Verletzungen des Rechts auf Selbstverteidigung oft Verletzungen des Rechts auf Leben.
Es ist üblich, zwischen Töten und Sterben-Lassen zu unterscheiden. Im Beispiel hatten wir es mit einer dritten Kategorie von Handlungen zu tun: der Verhinderung der Verhinderung eines Todesfalls. Dies ist von Mord zu unterscheiden, aber es handelt sich auch nicht um bloßes Sterben-Lassen, weil eine aktive Handlung erforderlich ist. Das Beispiel legt nahe, dass die Verhinderung der Verhinderung eines Todesfalls ungefähr ein so schlimmes Unrecht ist wie Mord. Jedenfalls dient die Tatsache, dass schwere Verletzungen des Rechts auf Selbstverteidigung moralisch vergleichbar zu Mord sind, dazu zu zeigen, dass das Recht auf Selbstverteidigung ein sehr schwerwiegendes Recht sein muss.
Die Intuition des extremen Unrechtsgehaltes der Handlung des Komplizen wird gestützt von den Kriterien für den Ernst einer Rechtsverletzung, die in §2.3↑ aufgestellt wurden. Erstens ist das Recht auf Leben von überragender Bedeutung für die Fähigkeit eines Menschen, seinen eigenen Lebensplan zu verfolgen. Zweitens ist das Recht auf Selbstverteidigung sehr wichtig, um das Recht eines Menschen auf Leben zu schützen. Drittens ist das Festhalten einer Person, auf die eingestochen wird, äußerst schlimm als Verletzung des Rechts auf Selbstverteidigung.
Wenden wir uns Prämisse 2 zu, dass ein Waffenverbot schlimm ist als Verletzung des Rechts auf Selbstverteidigung. Stellen wir uns folgendes vor:
Beispiel 2Im Unterschied zu Beispiel 1 hat das Opfer eine Schusswaffe neben seinem Bett bereit liegen, die es ggf. verwenden würde, um sich gegen den Mörder zu verteidigen. Als der Mörder das Schlafzimmer betritt, greift es nach der Waffe. Der Komplize schnappt sich die Waffe und läuft mit ihr davon mit dem Ergebnis, dass der Mörder das Opfer ersticht.
Die Handlung des Komplizen scheint in diesem Fall moralisch vergleichbar mit der aus Beispiel 1 zu sein. Wieder hat er absichtlich verhindert, dass das Opfer sich selbst verteidigt, und dadurch bewirkt, dass er dem Mörder Beihilfe leistet. Die Argumente anhand der Kriterien zum Ernst der Rechtsverletzung stimmen überein.
Die Analogie zwischen der Handlung des Komplizen in diesem Fall und einem allgemeinen Waffenverbot sollte klar sein. Ein Verbot von Schusswaffen würde die Konfiszierung von Waffen erfordern, die viele Menschen für [308] Selbstverteidigungszwecke bereit halten,[20] mit dem Ergebnis, dass einige dieser Menschen ermordet, ausgeraubt, vergewaltigt oder schwer verletzt würden. Wenn die Handlung des Komplizen in Beispiel 2 eine grobe Verletzung des Rechts auf Selbstverteidigung ist, dann erscheint ein Waffenverbot ungefähr gleich schlimm als Verletzung des Rechts auf Selbstverteidigung.
Betrachten wir einige Einwände gegen diese Analogie. Erstens könnte man sagen, dass beim Waffenverbot die Regierung mit der Rettung anderer Menschenleben einen belastbaren Grund für die Konfiszierung der Waffen hätte, was (wie wir annehmen) nicht auf den Komplizen in Beispiel 2 zutrifft. Dies liefe meiner Meinung nach darauf hinaus, dass das Selbstverteidigungsrecht unbescholtener Waffenbesitzer verdrängt wird durch die Staatsaufgabe, die Gesellschaft vor kriminellen Waffenbesitzern zu schützen. Ich werde in §5↓ auf diesen Ansatz eingehen.
Zweitens könnte man einwenden, dass Beispiel 2 sich von einem Waffenverbot dadurch unterscheidet, dass der Mord unmittelbar bevorsteht zu dem Zeitpunkt, an dem der Komplize die Waffe wegnimmt. Aber dies scheint moralisch keine Rolle zu spielen. Denn angenommen der Komplize entschlösse sich mit dem Wissen, dass morgen jemand eindringt, um das Opfer zu ermorden (wovon es nichts weiß), ihm heute die Waffe wegzunehmen, was wiederum zu dessen Tod führt. Dies würde die Handlung des Komplizen moralisch nicht haltbarer machen als in Beispiel 2.
Ein dritter Unterschied könnte darin bestehen, dass der Komplize in Beispiel 2 gemäß Annahme weiß, dass das Opfer später getötet oder schwer verletzt wird, wogegen der Staat nicht weiß, dass seine Waffenverbotspolitik Morde und Verletzungen bei ehemaligen Waffenbesitzern zur Folge hat. Dies trifft jedoch sicher nicht zu. Der Staat kann zwar behaupten, die Zahl der durch ein Waffenverbot geretteten Menschenleben übertreffe die Zahl der geopferten Menschenleben, doch ist die Position unhaltbar, dass gar keine Menschenleben geopfert werden, wenn man nicht entgegen der Plausibilität behaupten will, dass Schusswaffen nie gegen lebensbedrohliche Angriffe eingesetzt werden. Manche vertreten wohl den Standpunkt, dass nur erstere Behauptung notwendig ist, um ein Waffenverbot zu rechtfertigen; dies würde uns zum ersten Einwand zurückführen.
Viertens könnte man feststellen, dass in Beispiel 2 ein konkretes und bestimmbares Opfer vorkommt: Der Komplize weiß, wer aufgrund seiner Waffenkonfiszierung sterben wird. Im Unterschied dazu kann eine Regierung, die ein Waffenverbot erlässt, nicht bestimmen, welche konkreten Menschen in Folge des Waffenverbotes getötet werden, obschon sie vorhersagen kann, dass irgendwelche Menschen sterben werden. Aber das scheint moralisch keine Rolle zu spielen. Betrachten wir:
Beispiel 3 Ein „Komplize“ fesselt eine fünfköpfige Familie irgendwo in der Wildnis in dem Wissen, dass dort Wölfe herumstreunen. Er hat guten Grund zu [309] der Annahme, dass ein Wolfsrudel vorbeikommt und ein oder zwei Familienmitglieder frisst (und danach satt ist), aber er weiß nicht, wer genau gefressen wird. Er lässt sie eine Stunde alleine, und in dieser Zeit wird die Mutter der Familie von den Wölfen gefressen.
In diesem Fall lindert die Tatsache, dass der Komplize nicht weiß, wer in Folge seiner Handlungen sterben wird, seine Schuld nicht. Ebenso ist unklar, wie das Unvermögen des Staates, vorherzusagen wer in Folge des Waffenverbotes zum Opfer wird, seine Verantwortung für die Toten und Verletzten lindert.
Fünftens kann man davon ausgehen, dass die Opfer eines Waffenverbotes rechtzeitig vorgewarnt wären, um alternative Maßnahmen zu ihrem Schutz zu ergreifen im Unterschied zum Opfer in Beispiel 2. Leider deuten Statistiken der US-weiten Kriminalitätsopferumfrage (National Crime Victimization Survey) darauf hin, dass solche alternativen Selbstverteidigungsmittel vergleichsweise unwirksam wären – Menschen, die sich mit einer Schusswaffe verteidigen, werden seltener verletzt und müssen sehr viel seltener den Taterfolg hinnehmen im Vergleich zu Personen, die andere Mittel verwenden.[21] Folglich beseitigt der vorliegende Einwand die Schuld des Staates nicht, obgleich er sie mindert. Die Situation entspricht derjenigen, in welcher der Komplize dem Opfer statt des einzigen Verteidigungsmittels nur das Wirksamste nimmt mit der Folge, dass es getötet wird. Hier ist seine Handlung zwar weniger verwerflich als in Beispiel 2 doch immer noch sehr verwerflich.
Weil ein Waffenverbot eine erhebliche Verletzung eines äußerst schwerwiegenden Rechts darstellt, müssen wir folgern, dass es sich um eine sehr schlimme Rechtsverletzung handelt. Die obigen Beispiele legen zunächst nahe, dass es auf derselben Stufe wie (mehrfacher) Mord, Raub, Vergewaltigung und Körperverletzung steht – auch wenn die vorangegangenen Absätze zeigen, dass es im Vergleich etwas weniger verwerflich ist. Es geht nicht darum, dass Leute, die ein Waffenverbot einführen wollen, so tadelnswert sind wie Mörder und andere Gewaltverbrecher (weil erstere nicht wissen, dass ihre Vorschläge moralisch vergleichbar mit Mord sind, und sie andere Motive verfolgen als typische Mörder); sondern es geht lediglich darum, die Stärke der Gründe gegen die Umsetzung ihrer Vorschläge zu beurteilen.

5 Werden Waffenrechte verdrängt?

Ich habe vorgebracht, dass ein starkes Anscheinsrecht für den Besitz von Schusswaffen besteht. [310] Nichtsdestotrotz könnte ein Waffenverbot gerechtfertigt sein, wenn die Gründe für das Verbot stark genug wären, dieses Recht zu verdrängen. Um zu bestimmen, ob das zutrifft, betrachten wir drei Fragen: Erstens: Wie groß ist der Schaden durch privaten Waffenbesitz? Zweitens: Wie groß sind dessen Vorteile? Drittens: Wie muss das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen aussehen, um das Recht auf Waffenbesitz zu verdrängen? Ich werde darlegen, dass erstens der Schaden durch privaten Waffenbesitz stark aufgebauscht wurde; und zweitens dessen Vorteile groß sind und tatsächlich die Schäden aufwiegen; und drittens die Schäden die Vorteile um ein Vielfaches übertreffen müssten, um das Recht auf Waffenbesitz zu verdrängen.
Es gibt massenweise empirische Literatur hinsichtlich der Auswirkungen von Waffenbesitz und Waffenbeschränkungen. Hier können wir nur einige der bekanntesten Argumente aus dieser Literatur aufnehmen.

5.1 Was gegen Schusswaffen spricht

5.1.1 Die 43-zu-1-Statistik

Ein beliebter Einwand besagt, eine Schusswaffe, die im Haus aufbewahrt wird, werde mit 43-fach höherer Wahrscheinlichkeit bei einem Selbstmord, einem Tötungsdelikt oder einem tödlichen Unfall verwendet als zur Tötung eines Eindringlings in Notwehr.[22] Diese Statistik wird häufig in verschiedenen Abwandlungen wiederholt; beispielsweise gibt LaFollette die Studie folgendermaßen falsch wieder:
Auf jeden Fall, bei dem jemand in einem Haushalt mit Schusswaffen eine solche einsetzt, um erfolgreich einen lebensbedrohlichen Angriff abzuwehren, sterben beinahe 43 Menschen in ähnlichen Haushalten durch einen Schuss.[23]
Das Problem mit LaFollettes Charakterisierung, welche von der irreführenden Tendenz der Statistik zeugt, besteht darin, dass Kellerman und Reay keine Schätzung der Häufigkeit vornahmen, mit der Schusswaffen eingesetzt werden, um Angriffe zu stoppen, ob lebensbedrohlich oder nicht; sie zogen nur Fälle in Betracht, bei denen jemand getötet wurde.[24] Umfragedaten deuten darauf hin, dass nur bei einem winzigen Bruchteil der defensiven Waffeneinsätze eine Schussabgabe erfolgt geschweige denn die Tötung des Kriminellen; normalerweise reicht es aus, den Kriminellen mit der Waffe zu bedrohen. Um die Vorteile von Schusswaffen zu bewerten, müsste man die Häufigkeit untersuchen, mit der Schusswaffen Verbrechen verhindern, statt die Häufigkeit, mit der Kriminelle erschossen werden.[25] [311]
Ein zweites Problem besteht darin, dass es sich bei 37 von Kellerman und Reays 43 Todesfällen um Selbstmorde handelt. Die verfügbaren Indizien ergeben kein klares Bild, ob eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Schusswaffen die Selbstmordrate senken oder zum Ausweichen auf andere Methoden führen würde.[26] Hinzu kommt, dass es philosophisch gesehen zweifelhaft ist, dass eine Beschränkung des Waffenbesitzes zwecks Selbstmordvorbeugung zum Aufgabenbereich eines freiheitlichen Staates gehört, selbst wenn eine solche Regelung wirksam wäre. Ein Grund für Zweifel rührt daher, dass sie in die Rechte von Waffenbesitzern eingriffe (sowohl in die der Selbstmordkandidaten als auch in die der nicht-selbstmordgefährdeten Mehrheit), ohne die Rechte eines anderen zu schützen.[27] Ein weiterer Grund für Zweifel aus utilitaristischer Sicht besteht darin, dass man nicht davon ausgehen kann, dass Selbstmordkandidaten ein insgesamt fröhliches und angenehmes Leben führen; daher sollte man nicht annehmen, dass die Verhinderung eines Selbstmords durch andere Mittel als die Verbesserung des Lebensglücks des Betroffenen den Nutzen erhöht statt ihn zu vermindern. Aus diesen Gründen sollten Selbstmorde von den Erhebungen ausgenommen werden.
Ein drittes Problem besteht darin, dass Kellerman und Reay nur Fälle als Selbstverteidigung zählten, die von Polizei und örtlicher Staatsanwaltschaft so bezeichnet wurden; sie ließen die Möglichkeit von Fällen außer acht, die später vor Gericht als Selbstverteidigung gewertet wurden. Letztere Art von Fällen überwog vermutlich.[28]

5.1.2 Internationale Vergleiche

Eine zweite Art von Argument, die oft von Befürwortern der Waffenreglementierung vorgebracht wird, stützt sich auf Vergleiche der relativen Anzahl von Tötungsdelikten zwischen den Vereinigten Staaten und anderen demokratischen Industrieländern wie Kanada, Großbritannien, Schweden und Australien. Dabei kommt heraus, dass in den Vereinigten Staaten die relative Anzahl von Tötungsdelikten stark erhöht ist, und es wird behauptet, dies liege hauptsächlich am höheren Anteil von Waffenbesitz in den V. S.[29]
Skeptiker bringen vor, dass die Vereinigten Staaten über eine Reihe einzigartiger kultureller Merkmale verfügten, welche die Mordrate beeinflussen und zwischenstaatlichen Vergleichen ihre Aussagekraft nehmen.[30] Einigen erscheint diese Behauptung glaubhafter als [312] anderen. Glücklicherweise brauchen wir uns nicht auf unser Bauchgefühl verlassen. Stattdessen können wir die Behauptung empirisch prüfen, indem wir Daten innerhalb der Vereinigten Staaten für die Geltungsbereiche unterschiedlicher Waffengesetze und deren Waffenbesitzraten in räumlicher und zeitlicher Hinsicht untersuchen. Dies würde die kulturellen Merkmale wirksam ausschließen, welche angeblich die Mordrate beeinflussen. Wenn wir das tun, finden wir, dass (i) Geltungsbereiche mit schärferen Waffengesetzen zu höheren Kriminalitätsraten tendieren, (ii) Lockerungen der Waffengesetze dazu tendieren, von einem Rückgang der Kriminalitätsraten gefolgt zu werden, (iii) Gebiete mit einem höheren Anteil an Waffenbesitzern niedrigere Kriminalitätsraten haben, und (iv) geschichtlich betrachtet die Kriminalitätsraten ohne erkennbares Muster schwanken, während der zivile Waffenbestand stark zunimmt.[31]
Ich behaupte nicht, nachgewiesen zu haben, dass Waffengesetze eine Erhöhung der Kriminalität verursachen, oder dass ziviler Waffenbesitz diese nicht erhöht. Und ich bestreite auch nicht, dass es Belege auf Seiten der Verfechter von Waffenreglementierungen gibt. Was ich hier behaupte ist, dass die Belege, die sie vorbringen, nicht besonders überzeugend sind für den Nachweis, dass beim privaten Waffenbesitz der Schaden überwiegt. Die oberflächlichen Vergleiche zwischen verschiedenen Ländern, die hier diskutiert wurden, stützen sich typischerweise nur auf eine handvoll Datensätze, schließen viele Länder aus der Betrachtung aus und versuchen nicht, andere Faktoren zu kontrollieren, welche die Kriminalitätsrate beeinflussen. Im Unterschied dazu stehen der Gegenseite weitaus stringentere Studien zur Verfügung, wie wir gleich sehen werden. Man kann daher zumindest nicht behaupten, dass der Glaube gerechtfertigt sei, bei einem Waffenverbot überwiege der Nutzen.

5.2 Der Nutzen von Schusswaffen

5.2.1 Häufigkeit defensiven Schusswaffengebrauchs

Schusswaffen werden in den Vereinigten Staaten überraschend häufig von Privatbürgern zu Selbstverteidigungszwecken eingesetzt. Fünfzehn Studien, wobei die im folgenden Abschnitt besprochene nicht einberechnet ist, wurden seit 1976 durchgeführt, die Schätzungen zwischen 760.000 und 3,6 Millionen Fälle defensiven Waffengebrauchs pro Jahr ergaben, wobei der durchschnittliche Schätzwert bei 1,8 Millionen liegt.[32] Unter den eher Verlässlicheren befindet sich vermutlich die US-weite Umfrage von Kleck und Gertz aus dem Jahre 1993, welche auf geschätzte 2,5 Millionen Fälle defensiven Schusswaffengebrauchs im Jahr kommt und dabei militärische und polizeiliche Verwendung ausschließt ebenso wie den Einsatz gegen Tiere. In 400.000 dieser Fälle glauben die Waffenanwender, ihre [313] Schusswaffe habe mit Sicherheit oder beinahe sicher ein Menschenleben gerettet.[33] Obgleich so gut wie sicher ist, dass die antwortenden Studienteilnehmer die Gefahr überschätzten,[34] bedeutete dies – wenn auch nur ein Zehntel der Antworten zutrifft, dass die Anzahl der Menschenleben, die jedes Jahr gerettet werden, die Zahl der Tötungsdelikte und Selbstmorde mit Schusswaffen übersteigt. Im Sinne der Studie von Kleck und Gertz erfordert ein „defensiver Schusswaffengebrauch“, dass der Teilnehmer tatsächlich jemanden gesehen hat (und nicht nur beispielsweise ein verdächtiges Geräusch im Garten gehört hat), von dem er glaubt, dass dieser eine Straftat gegen ihn ausführt oder dies versucht, und er diesen zumindest mit der Schusswaffe bedroht hat, sie aber nicht notwendigerweise abgefeuert hat. Aus Klecks Statistik lässt sich schließen, dass defensiver Schusswaffengebrauch im Verhältnis 3:1 häufiger vorkommt als mit Schusswaffen verübte Delikte.[35] Obgleich es sich bei Klecks Statistik um eine Überschätzung handeln könnte, sollte man sich drei Dinge vergegenwärtigen, bevor man dies als Hypothese anführt, um den Verteidigungsnutzen von Schusswaffen klein zu reden. Erstens müsste es sich bei Klecks Zahlen um sehr starke Überschätzungen handeln, damit die Schäden von Schusswaffen ihren Nutzen übertreffen. Zweitens müsste man unterstellen, dass alle fünfzehn Studien so angelegt sind, dass sie Überschätzungen ergeben. Drittens gibt es keinen Hinweis, dass eine Überschätzung wahrscheinlicher ist als eine Unterschätzung; vielleicht erfinden einige Teilnehmer Vorfälle oder stellen sie falsch dar, aber vielleicht gibt es auch Teilnehmer, die ihren defensiven Schusswaffengebrauch entweder vergessen haben oder vorziehen, darüber nicht mit einem Fremden am Telefon zu reden.[36] [314]
Eine Studie – nämlich die US-weite Kriminalitätsopferumfrage (engl. National Crime Victimization Survey, NCVS) – liefert eine Schätzung, die um eine Größenordnung kleiner ist als die anderen. Die NCVS-Statistik besagt, dass ungefähr 100.000 Fälle defensiven Schusswaffengebrauchs im Jahr vorkommen.[37] Obwohl selbst diese Studie einen bedeutenden Selbstverteidigungswert von Schusswaffen belegt, liefern die NCVS-Zahlen wahrscheinlich eine grobe Unterschätzung angesichts der krassen Abweichung von allen anderen Schätzungen. Kleck beschreibt die methodischen Mängel der NCVS,[38] von denen einer der ernsteren ist, dass es sich um eine nicht-anonyme Umfrage handelt (Die Teilnehmer geben ihre Adressen und Telefonnummern an.), bei der die Teilnehmer wissen, dass sie vom US-Justizministerium finanziert wird. Einem Angestellten eines Exekutivorgans der Bundesregierung gegenüber zögern die Teilnehmer vielleicht, nicht-anonym von ihrem defensiven Schusswaffengebrauch zu berichten, insbesondere wenn sie es nicht für ausgeschlossen halten, dass sie wegen eines Gesetzesverstoßes angeklagt werden. Hinzu kommt, dass die Teilnehmer nicht direkt zu ihrem defensiven Schusswaffengebrauch befragt wurden, sondern sie lediglich gebeten wurden, allgemein zu beschreiben, was sie zur Selbstverteidigung unternommen haben. Und die Teilnehmer wurden nicht zu Selbstverteidigungshandlungen befragt, wenn sie nicht zuvor die Kriminalitätsopferfragen als zutreffend beantwortet hatten, und wir wissen, dass die NCVS zumindest häusliche Gewalt drastisch unterschätzt; nur 22 % der häuslichen Angriffe aus den Polizeiakten (welche selber lückenhaft sein könnten) wurden von den Teilnehmern erwähnt.[39]

5.2.2 Der Nutzen verdeckter Waffen

In den Vereinigten Staaten verbieten einige Bundesstaaten das verdeckte Führen von Waffen. Andere haben ein „Ermessens“-Bewilligungsrecht, das heißt Beamte vor Ort dürfen nach ihrem Ermessen Bewilligungen zum verdeckten Führen von Waffen an Bürger erteilen, die solche Bewilligungen beantragen. (In solchen Bundesstaaten beschränken die Beamten üblicherweise Bewilligungen auf besonders gefährdete Bürger, wie solche in Berufen, die es erfordern, große Geldmengen mitzuführen.) Andere haben ein „Nicht-Ermessens“- oder „Soll-Erteilungs“-Recht, welches Beamte verpflichtet, Bewilligungen an alle Antragssteller auszugeben, [315] die gewisse, festgelegte, objektive Kriterien erfüllen. (Diese Kriterien können beinhalten, dass keine Vorstrafen vorhanden sind, eine Gebühr entrichtet wird, das Mindestalter erreicht ist und/oder ein Sicherheitslehrgang absolviert wird.) Ein Soll-Erteilungsrecht führt dazu, dass viel mehr Bewilligungen erteilt werden. Schließlich erlaubt der Bundesstaat Vermont erlaubnisfrei das verdeckte Führen von Waffen. Viele Bundesstaaten gingen in den 1980ern und 1990ern von einem Ermessens- zu einem Nicht-Ermessensrecht über.
John Lott und David Mustard führten eine Studie über die Wirkung von Nicht-Ermessensrechten auf die Kriminalitätsrate durch, bei der es sich wahrscheinlich um die gründlichste und umfassendste Studie der Waffenregulierungsliteratur handelt.[40] Lotts Studie verwendet Zeitreihen und Querschnittsdaten aus allen 3.054 Bezirken der Vereinigten Staaten von 1977 bis 1992. Insgesamt haben Bundesstaaten mit Soll-Erteilungsrechten eine Gewaltkriminalitätsrate, die gut halb so hoch (55 %) liegt, wie in den anderen Bundesstaaten.[41] Dies alleine belegt nicht, dass die schärferen Waffengesetze Ursache der dramatisch höheren Gewaltkriminalitätsraten in den jeweiligen Bundesstaaten sind, denn die Korrelation ließe sich durch die Hypothese erklären, dass Bundesstaaten, die von vornherein höhere Kriminalitätsraten haben, eher strenge Waffengesetze verabschieden. Diese Hypothese würde jedoch nicht erklären, warum die Gewaltkriminalitätsraten gesunken sind, nachdem Bundesstaaten zu Soll-Erteilungsrechten für verdecktes Führen übergegangen sind.[42] Nach der Durchführung einer Multi-Regressionsanalyse, welche zahlreiche weitere Variablen kontrolliert wie etwa Verhaftungs- und Verurteilungsraten, Länge von Haftstrafen, Bevölkerungsdichte, Einkommensniveau und Rassen- und Geschlechterverteilung von Bezirken, fand Lott heraus, dass durch den Übergang zum Soll-Erteilungsrecht die Mordraten unmittelbar um etwa 8 % sanken, Vergewaltigungen um 5 % und schwere Körperverletzung um 7 %, wobei die Rückgänge sich in den Folgejahren fortsetzten. (Lott erklärt letzteres durch die allmähliche Zunahme der insgesamt ausgestellten Bewilligungen.)[43]
Befürworter von Waffenreglementierungen verwundern diese Statistiken möglicherweise aus theoretischer Sicht: Eine Erhöhung der Verfügbarkeit eines der wichtigsten Mittel zur Begehung von Gewaltverbrechen sollte – ihrer Meinung nach – die Gewaltkriminalitätsrate erhöhen.[44] Aber eine alternative Theorie sagt das Gegenteil vorher: Die erhöhte Verfügbarkeit von Schusswaffen für Bürger einschließlich der Möglichkeit, Waffen verdeckt zu führen, erhöht das Risiko für potentielle Kriminelle, eine böse Überraschung zu erleben, wenn sie versuchen, ein Gewaltverbrechen zu begehen. Diese kann darin bestehen, beschossen zu werden, vom Opfer bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten zu werden, sowie schlicht darin, die Tat abbrechen zu müssen. Daher sollte [316] unter sonst gleichen Bedingungen eine höhere Verfügbarkeit von Schusswaffen für die Allgemeinheit zu weniger Gewalttaten führen.
Lotts Studie spricht stark für diese Theorie. Aber selbst ohne statistische Belege in Betracht zu ziehen, ist die Theorie plausibler als diejenige, welche Befürworter von Waffenbeschränkungen ins Feld führen. Waffengesetze neigen dazu, das Verhalten von potentiellen Kriminalitätsopfern stärker zu beeinflussen als das von Kriminellen. Wer vor Gewaltverbrechen nicht zurückschreckt, wird mit viel höherer Wahrscheinlichkeit als der Durchschnittsbürger auch zu einem Vergehen wie dem unerlaubten Führen einer verdeckten Waffe bereit sein. So jemand wird auch eher über Schwarzmarktkontakte verfügen, welche ihm illegale Waffen liefern können.[45] Daher führen Gesetze, die dem verdeckten Führen von Waffen Hindernisse in den Weg stellen oder es verbieten oder den Waffenbesitz völlig verbieten, eher zu einem sehr viel stärkeren Rückgang beim Anteil der bewaffneten Opfer als beim Anteil der bewaffneten Kriminellen.
Des Weiteren kann man annehmen, dass die Möglichkeit, auf ein bewaffnetes Opfer zu stoßen, potentielle Gewalttäter durch Abschreckung stärker beeinflusst als eine mäßige Erhöhung der Schwierigkeit, eine Schusswaffe für Straftaten zu beschaffen, da die gefürchteten Folgen eines Angriffs auf ein bewaffnetes Opfer äußerst ernst sind, wogegen eine erhöhte Schwierigkeit bei der Waffenbeschaffung eine vergleichsweise kleine Hürde zur Begehung eines Gewaltverbrechens darstellt, insbesondere wenn man sich ein körperlich unterlegenes und unbewaffnetes Opfer aussuchen kann, oder wenn man über Schwarzmarktkontakte verfügt.
Dieses Argument ist noch nicht schlüssig, weil es sein könnte, dass sehr wenige Nicht-Kriminelle Schusswaffen zur Selbstverteidigung führen würden – selbst wenn man es ihnen erlaubt, wodurch das Risiko für einen Kriminellen, auf ein bewaffnetes Opfer zu treffen, ein unwesentlicher Gesichtspunkt bliebe. Tatsächlich besitzen aber derzeit sehr viele nicht-kriminelle Amerikaner Schusswaffen, und etwa 9 % der Amerikaner geben bei einer Studie zu, eine Schusswaffe außerhalb der Wohnung zum Selbstschutz zu führen.[46] Entsprechend geben die befragten Kriminellen an, dass sie größere Furcht vor einer Begegnung mit bewaffneten Opfern hätten als vor einer Begegnung mit der Polizei.[47]
Aus diesen Gründen sollte es nicht überraschen, dass bei der Wirkung schärferer Waffengesetze die verringerte Abschreckung von Gewaltverbrechen [317] überwiegt gegenüber der Erschwernis bei der Beschaffung von entsprechenden Tatwerkzeugen.

5.3 Warum ein Schusswaffenverbot zu seiner Rechtfertigung sehr viel größeren Nutzen als Schaden stiften müsste

Um als ein Fall der Verdrängung eines Anscheinsrechts gerechtfertigt zu sein, müsste ein Schusswaffenverbot viel mehr Menschenleben retten als opfern, denn:
  1. Es ist falsch, jemanden zu ermorden, selbst um dadurch mehrere andere Tötungen zu verhindern. (Prämisse)
  2. Die Verletzung des Rechts eines Menschen oder einer Gruppe auf Selbstverteidigung, welche absehbar zum Tod eines der Opfer führt, ist moralisch vergleichbar mit Mord. (Prämisse)
  3. Wenn es falsch ist, einen Mord zu begehen, um mehrere Tötungen zu verhindern, dann ist es falsch, eine Rechtsverletzung zu begehen, die mit Mord vergleichbar ist, um mehrere Tötungen zu verhindern.
  4. Daher ist es falsch, das Recht eines Menschen oder einer Gruppe auf Selbstverteidigung zu verletzen, welche absehbar zum Tod eines der Opfer führt, selbst um mehrere Tötungen zu verhindern. (aus 1, 2, 3)
  5. Daher ist es falsch, das Recht einer Gruppe auf Selbstverteidigung zu verletzen, welche absehbar zum Tod vieler der Opfer führt, selbst um ein Mehrfaches an Tötungen zu verhindern. (aus 4)
  6. Ein Schusswaffenverbot würde das Recht einer Gruppe auf Selbstverteidigung verletzen, welche absehbar zum Tod vieler der Opfer führt. (Prämisse)
  7. Daher ist ein Schusswaffenverbot falsch, selbst wenn es für die Todesfälle, die es mit sich bringt, andererseits ein Mehrfaches an Todesfällen verhindert. (aus 5, 6)
Vergleichbare Überlegungen lassen sich bezüglich anderer Rechte anführen darunter beispielsweise das Recht, sich in der selbst gewählten Art der Freizeitgestaltung zu betätigen. Im Allgemeinen läuft es darauf hinaus, dass die Verdrängung eines Rechts aus konsequentialistischen Gründen nicht bloß einen höheren Nutzen erfordert, sondern dieser sehr viel größer sein muss als der Schaden für den Rechteinhaber. Der Einfachheit halber beleuchte ich nur, wie die Beweisführung im Hinblick auf das Recht auf Selbstverteidigung funktioniert.
Konsequentialisten lehnen Prämisse (1) ab. Aber praktisch alle, welche den Begriff des Rechts akzeptieren, würden auch (1) akzeptieren. Betrachten wir dieses altgediente Beispiel:[48]
Beispiel 4 Sie sind Richter in einem Rechtssystem, in dem Richter über die Frage „schuldig“ oder „nicht-schuldig“ urteilen. Sie haben einen Angeklagten vor sich, dem ein Verbrechen zur Last gelegt wird, das [318] erhebliche Empörung in der Öffentlichkeit ausgelöst hat. Im Verlauf des Prozesses wird Ihnen klar, dass der Angeklagte unschuldig ist. Die überwältigende Mehrheit der Öffentlichkeit hält ihn jedoch für schuldig. Folglich glauben Sie, dass es bei einem Freispruch zu Unruhen käme, in deren Verlauf mehrere Menschen (unschuldig) ums Leben kommen und viele verletzt werden. Nehmen wir an, dass auf das Verbrechen zwingend die Todesstrafe steht. Sollen Sie den Angeklagten verurteilen?
Die meisten Leute – einschließlich praktisch aller, die an Rechte glauben – sagen, dass die Antwort nein lautet. Wenn dies die richtige Antwort ist, dann müssen wir folgern, dass es falsch ist, die Rechte (insbesondere das Recht auf Leben) eines Menschen zu verletzen, selbst wenn man dadurch mehrere ähnlich schwere Rechtsverletzungen verhindern könnte. Dies liegt daran, dass Rechte als akteursbezogene Beschränkungen wirken: Selbst keine Rechte zu verletzen, ist jedem Menschen auferlegt, nicht aber herbeizuführen, dass die Gesamtzahl aller Rechtsverletzungen in der Welt sinkt.[49] So etwas wie Prämisse (1) ist ein wesentliches Abgrenzungsmerkmal einer rechtebasierten Moraltheorie gegenüber einer konsequentialistischen Theorie.
Prämisse (2) stützt sich auf die Überlegungen von §4.2↑.
Für Prämisse (3) spricht der Gedanke, dass ein Anscheinsrecht sich um so schwerer verdrängen lässt, je schlimmer die dabei entstehende Rechtsverletzung wäre. Selbst wenn diese Annahme im Allgemeinen nicht zutrifft, ist es plausibel, dass sie es im vorliegenden Fall tut. Dieser besteht darin, dass wenn es ungerechtfertigt ist, einen Menschen zu töten, um mehrere Menschenleben zu retten, und wenn eine bestimmte Verletzung des Rechts auf Selbstverteidigung moralisch auf einer Stufe mit dem Töten eines Menschen steht, es dann auch falsch ist, diese Verletzung des Rechts auf Selbstverteidigung zu begehen, um mehrere Menschenleben zu retten. Es ist schwer einzusehen, warum das Recht auf Selbstverteidigung sich anders verhalten sollte, indem es sich viel leichter verdrängen lässt als das Recht auf Leben.
Schritt (5) ist ein vernünftiger Schluss aus (4). Angenommen, dass der Richter in Beispiel 4 sich zur Verurteilung entschließt und somit falsch handelt. Angenommen er wird in seinem Berufsleben vier weitere Male mit ähnlichen Situationen konfrontiert, und handelt jedes Mal auf gleiche Art falsch. Vermutlich ist die Gesamtfolge von Handlungen, die daraus besteht, insgesamt fünf Menschen zu Unrecht getötet zu haben, um ein Mehrfaches an Menschenleben zu retten, ebenso falsch. Ziehen wir nun eine weitere Abwandlung in Betracht: Angenommen, dass er mit den fünf unschuldigen Angeklagten nicht über sein Berufsleben verteilt zu tun hat, sondern diese ihm in einem einzigen Kollektivprozess gegenüberstehen, dass er sie alle in einem Kollektivurteil für schuldig befindet, und dass diese Handlung ebensoviele Menschenleben rettet. [319] Vermutlich bleibt die Handlung des Richters falsch. Aus derlei Gründen sollten wir den Schluss von (4) auf (5) akzeptieren.
Prämisse (6) wird gestützt durch die Überlegungen in §5.2↑.
Schließlich folgt (7) aus (5) und (6). Angesichts des äußerst schlimmen rechtsverletzenden Charakters eines Schusswaffenverbots gilt jedem Versuch, es moralisch zu rechtfertigen, äußerst scharfe Kritik – Kritik wie sie etwa im Falle der Rechtfertigung einer Regelung aufkäme, die viele unschuldige Menschen tötet, um irgendein gesellschaftliches Ziel zu erreichen.

6 Antworten auf Einwände

Einwand 1

Prämisse (1) erscheint allzu sehr zu vereinfachen; in einigen Fällen ist es zulässig, die Rechte eines Menschen zu verletzen, um einen vergleichbaren Schaden von einigen anderen Leuten abzuwenden, wie beim berüchtigten „Trolley-Problem“:[50]
Beispiel 5 Ein außer Kontrolle geratener Straßenbahnwaggon nähert sich einer Weiche. Wenn er dort auf das linke Gleis geleitet wird, wird er einen Menschen überfahren und töten. Wenn er auf das rechte Gleis geleitet wird, wird er fünf Menschen überfahren und töten. Weder kann eine dieser Personen rechtzeitig in Sicherheit gebracht noch der Waggon gestoppt werden. Aber Sie können die Weiche umstellen. Momentan steht die Weiche so, dass der Waggon nach rechts geleitet wird. Sollten Sie die Weiche umstellen?
Die meisten Leute sagen ja.[51] Daher sollten wir fragen: Entspricht ein Schusswaffenverbot eher dem Umstellen der Weiche in Beispiel 5 oder der Verurteilung des Angeklagten in Beispiel 4?
Zunächst scheint ein Waffenverbot eher der Handlung in Beispiel 4 zu entsprechen, wo es um eine vorgeschlagene Amtshandlung des Staates geht, die ein wichtiges Recht eines Menschen verletzt, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, zur Aufrechterhaltung des Friedens und, um andere Menschen von Straftaten abzuhalten. Dies trifft nicht auf die Handlung in Beispiel 5 zu jedoch auf das vorgeschlagene Waffenverbot. Die Analogie wird vielleicht verstärkt, wenn wir uns die Notlage eines Menschen vergegenwärtigen, der gegen das Waffenverbot verstößt, um sich gegen Kriminelle in seiner Umgebung zu schützen: Dieser Mensch würde, wenn er erwischt wird, ins Gefängnis geschickt, selbst wenn [320] es keinen Hinweis darauf gibt, dass er beabsichtigt, jemandem zu schaden, weil dies Teil einer Regelung ist, die darauf abzielt, diejenigen vom Besitz von Schusswaffen abzuhalten, die tatsächlich anderen schaden wollen. Wer glaubt, dass es im allgemeinen schlechter ist, einen Unschuldigen zu bestrafen als mehrere Schuldige laufen zu lassen, sollte das Prinzip im Lichte dieses Beispiels betrachten.
Aber um zu bestimmen, ob ein Waffenverbot am besten im Lichte von Beispiel 4 oder 5 zu verstehen ist, sollte uns interessieren, worin der moralisch bedeutende Unterschied zwischen den beiden Beispielen besteht. Ziehen wir verschiedene Erklärungen des moralischen Unterschieds zwischen den Fällen in Erwägung:
  1. Erklärung anhand des Gesetzes der Doppelwirkung: In Beispiel 4 werden die Rechte eines Menschen verletzt als Mittel, um andere zu begünstigen, wogegen in Beispiel 5 die Rechte eines Menschen als bloße Nebenwirkung einer anderen Handlung verletzt werden, die anderen zugute kommt.[52]
Man könnte einwenden, dass die Rechtsverletzung, die mit einem Waffenverbot verbunden ist – nämlich Schusswaffen unbescholtener Waffenbesitzer zu konfiszieren, nicht ein Mittel ist, das der Staat einspannt, um seine Ziele zu erreichen, weil seine Rechtsverletzung nicht ursächlich dazu beiträgt, andere vor Kriminalität zu schützen. Vielmehr trägt nur die Konfiszierung der Schusswaffen Krimineller dazu bei. Es geschieht etwas drittes, nämlich die Konfiszierung so vieler Schusswaffen aus der Gesamtbevölkerung wie möglich, welche beide Handlungen umfasst, aber die eine ist nicht Mittel der anderen.
Wenn jedoch letztere Überlegung richtig ist, dann kann (i) nicht der richtige Grund des Unterschieds zwischen den Beispielen 4 und 5 sein. Denn wäre dem so, dann gäbe es keinen rechtebasierten Einwand gegen eine Regelung, derzufolge Angeklagte stets verurteilt werden, sollte die Wahrscheinlichkeit ihrer Schuld sagen wir 10 % überschreiten. Die resultierende Inhaftierung der unschuldig Verurteilten wäre kein Mittel, das der Staat zur Erreichung seiner Ziele einsetzt, denn deren Inhaftierung trägt nicht ursächlich zum erwünschten Ziel bei, andere vor Kriminalität zu schützen; nur die Inhaftierung der tatsächlichen Straftäter würde dazu beitragen.
Es gibt ein weiteres Problem mit (i). Angenommen in Beispiel 4 würde sich der Mob beruhigen, sobald die Verurteilung verkündet wird, obgleich die Hinrichtung viele Wochen auf sich warten lässt. (Aber Sie können die Bestrafung nach der Urteilsverkündung nicht mehr aufhalten.) In diesem Fall besagt (i), dass Sie den Angeklagten verurteilen dürfen. Seine Hinrichtung wäre nicht als Mittel gedacht, da das beabsichtigte Ziel erreicht wird, bevor die Hinrichtung stattfindet. Die Hinrichtung wäre eine bloße Zusatzwirkung der Handlung, mit der Sie Aufstände verhütet haben.
  1. Im Beispiel 4 rührt der Schaden, den es zu vermeiden gilt, von den [321] absichtlichen, unrechtmäßigen Handlungen anderer Leute her, wogegen dies auf Beispiel 5 nicht zutrifft.
Diese Erklärung ist fehlerhaft, da man sich einen Fall wie in Beispiel 4 vorstellen kann mit dem Unterschied, dass die Hinrichtung des unschuldig Angeklagten den natürlichen Tod mehrerer Unschuldiger verhindert. Unsere Eingebung wird die vorgeschlagene Handlung weiterhin missbilligen.
  1. Im Beispiel 4 ist die Handlung selbst (oder der „relevante Handlungstyp“, die Verurteilung des Angeklagten) an sich schädlich oder hinderlich für einen anderen Menschen, wogegen in Beispiel 5 der relevante Handlungstyp (die Umleitung der Straßenbahn vom rechten auf das linke Gleis) an sich neutral ist.
Gemäß dieser Erklärung entspräche ein Waffenverbot als Rechtsverletzung und an sich einschränkende Handlung eher dem Beispiel 4 als dem Beispiel 5. Jedenfalls ist (iii) trotzdem recht problematisch, weil man im Beispiel 4 vorbringen könnte, dass die Handlung des Richters, bestimmte Worte von sich zu geben, an sich nicht schädlich oder einschränkend für den Angeklagten sei – nur die nachfolgenden Handlungen der Polizeibeamten, welche aus seinen Worten folgen, seien schädlich und einschränkend.[53]
  1. In Beispiel 5 lenkt man eine bestehende Bedrohung auf einen oder mehrere andere Menschen ab, wogegen man in Beispiel 4 eine neue Bedrohung oder einen neuen Schaden hervorbringt.[54] Meiner Ansicht nach ist das die plausibelste Erklärung.
Gemäß dieser Theorie ähnelt ein Waffenverbot eher dem Beispiel 4. Es leitet keine Bedrohung um – es lenkt keine vorhandenen Kriminellen von den einen Opfern auf eine andere Klasse von Opfern um. Aber es bringt auch keine neue Bedrohung hervor (abgesehen davon, dass das Gesetz Menschen zu Kriminellen macht). Stattdessen errichtet es eine neue Hürde zur Verhinderung einer Bedrohung. Es entspräche daher eher dem folgenden Fall als den Beispielen 4 und 5:
Beispiel 6 Ein Mob ist wegen eines Verbrechens in Aufruhr, das er V zuschreibt. Doch Sie wissen, dass V unschuldig ist. Solange der Mob nicht besänftigt wird, randaliert er, wobei weitere Menschen getötet und verletzt werden. Als V den Mob auf sein Haus zukommen sieht, ergreift er die Flucht, worauf Sie ihn packen und festhalten, bis der Mob eintrifft, um ihn zu lynchen.
Die in Beispiel 6 beschriebene Handlung erscheint in ähnlicher Weise falsch wie die Handlung des Richters in Beispiel 4. Dies legt nahe, dass die Schaffung einer weiteren Hürde zur Verhinderung einer Bedrohung moralisch mit der Schaffung einer neuen Bedrohung auf einer Stufe steht statt vergleichbar mit der Ablenkung [322] einer Bedrohung zu sein. Dieser Schluss ist im Einklang mit der Schlussfolgerung von §4.2↑, dass die Verhinderung der Verhinderung eines Todesfalls moralisch vergleichbar mit Totschlag ist.

Einwand 2

Vielleicht lässt sich eine Schlussfolgerung machen, die sich auf Grundsätze stützt, die den von mir selbst benutzten ähneln, und darin endet, dass der Verkauf von Schusswaffen moralisch falsch ist. Eine Firma, die viele Schusswaffen verkauft, kann mehr oder weniger sicher sein, dass einige davon zur Begehung von Straftaten verwendet werden. Sie trage eine Mitverantwortung für diese Straftaten, dadurch dass sie Kriminelle mit den Mitteln zu ihrer Ausführung ausgestattet hat. Gemäß Prämisse (1) in §5.3↑ könne die Firma sich nicht damit verteidigen, dass Waffenverkäufe insgesamt mehr Straftaten verhindern als befördern.
Dieser Einwand verwendet mindestens zwei verschiedene moralische Grundsätze. Er nutzt meine Prämisse (1), und er nutzt die Prämisse (nennen wir sie „Verkäuferverantwortung“), der Verkäufer eines Produkts sei (teilweise) moralisch verantwortlich für dessen Einsatz durch den Kunden.
Verkäuferverantwortung hat in einigen Fällen ihre Berechtigung. Wenn ich einem Kunden eine Schusswaffe verkaufe, von dem ich weiß, dass er sie zur Begehung eines Mordes einsetzen will, bin ich teilweise verantwortlich für den späteren Mord. Wenn nur eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Käufer Mordpläne hegt, dann habe ich immer noch falsch gehandelt, obgleich nicht so falsch wie im ersten Fall. Desgleichen wenn ich ein Waffengeschäft betreibe und meine Schusswaffen speziell an Kriminelle vermarkte, dann bin ich teilweise verantwortlich für die sich daraus ergebende Kriminalität.[55]
Aber wir können Verkäuferverantwortung nicht uneingeschränkt akzeptieren. Täten wir das, müssten wir sie auf die Verkäufer von Autos, Messern, Seilen und anderen gelegentlich missbrauchten Produkten anwenden. Weil große Autohersteller wissen, dass zumindest einige ihrer Autos kriminelle Verwendung finden (als Fluchtfahrzeug, für Alkoholfahrten und sogar als Mordwerkzeug), wäre es falsch für sie, den Verkauf von Autos fortzusetzen.
Daher plädiere ich für ein beschränktes Verkäuferverantwortungsprinzip, demzufolge der Verkäufer für den kriminellen Gebrauch seines Produktes nur dann verantwortlich ist, wenn (i) das Produkt keine moralisch legitime Anwendung hat, wenn (ii) nach dem Wissensstand des Verkäufers bei einem konkreten Verkauf eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Käufer das Produkt missbraucht, oder wenn (iii) der Verkäufer aus Absicht oder Nachlässigkeit keine vernünftigen Schritte unternimmt, um die Wahrscheinlichkeit eines Verkaufs an kriminelle Verwender herabzusetzen. Bedingung (i) [323] trifft nicht auf Schusswaffen zu. Die Bedingungen (ii) und (iii) können auf Waffenverkäufe zutreffen, müssen es aber nicht. Infolgedessen besteht kein Grund zu glauben, Waffenverkäufe seien generell verkehrt, obschon zweifelsohne einige unrechtmäßige Waffenverkäufe vorkommen.

Einwand 3

Einige wenden ein, dass ein starkes Besitzrecht für Schusswaffen darauf hinauslaufe, dass ein Besitzrecht für alle Waffenarten besteht. Kurzum wenn ein Recht, Schusswaffen zu besitzen, bestehe, dann bestehe auch ein Recht, eine Atomrakete zu besitzen, was absurd ist.[56]
Obschon meine Prämissen ein gewisses Anscheinsrecht stützen mögen, alle Arten von Waffen zu besitzen von Maschinengewehren bis hin zu Atomraketen, folgt aus den Überlegungen von §4↑ nicht, dass allen derartigen Anscheinsrechten gleich viel Gewicht zukommt, auch folgt aus denen von §5↑ nicht, dass die Gründe zur Verdrängung all dieser Anscheinsrechte gleich stark sind. Gemäß der oben besprochenen empirischen Belege handelt es sich bei Feuerwaffen und insbesondere Kurzwaffen um die wirksamsten Mittel zur Selbstverteidigung gegen Gewaltverbrecher, zugleich pflegt man sowohl Kurzwaffen als auch Gewehre in der Freizeit einzusetzen. Es wäre gelinde gesagt schwierig, die Bedeutung von Atomraketen zur Freizeitgestaltung oder zur Selbstverteidigung darzulegen, und zugleich wäre es einfach, für die Verdrängung irgendeines Anscheinsrechts auf den Besitz von Atomraketen zu argumentieren.

7 Weiterführende Diskussion

Bislang sind wir auf Waffenbeschränkungen nur in ihrer schärfsten Ausprägung, dem Verbot aller Schusswaffen, eingegangen. Was ist mit weniger einschneidenden Maßnahmen? Hier erwähne ich nur zwei der Maßnahmen, die häufiger vorgeschlagen oder umgesetzt werden. Erstens unterstützen viele ein Verbot aller Kurzwaffen. Zweitens verbieten viele Bundesstaaten das verdeckte Führen von Waffen an öffentlichen Orten oder schränken es erheblich ein. Was sagen unsere Überlegungen, die auf dem Recht auf Waffenbesitz fußen, über diese Maßnahmen aus?
Ich meine, diese Maßnahmen sind ebenfalls schlimme Rechtsverletzungen obgleich nicht so schlimm wie ein Totalverbot. Das liegt daran, dass sie den Menschen bei der Selbstverteidigung hohe Hürden in den Weg stellen. Merkmale von Kurzwaffen, die für Kriminelle von Nutzen sind, machen sie auch zu den geeignetsten Waffen für Selbstverteidigungszwecke – nämlich die Merkmale, dass sie klein und leicht sind, ihre wirksame Handhabung wenig Kraft und Geschick erfordert, und sie allgemein gefürchtet sind. Außerdem führte aus verschiedenen [324] Gründen fast niemand in unserer Gesellschaft eine Schusswaffe, wenn dies nicht verdeckt erfolgen darf. So gut wie niemand würde irgendeine andere Schusswaffe als eine Kurzwaffe zur Selbstverteidigung führen. Daher beseitigen Gesetze, die rechtschaffene Bürger vom verdeckten Führen von Waffen abhalten, praktisch den Selbstverteidigungsnutzen von Schusswaffen außerhalb der eigenen vier Wände,[57] in dem Maße wie die Gesetze befolgt werden. Wir haben gesehen, dass die besten verfügbaren Belege darauf hindeuten, dass derartige Gesetze die Kriminalität eher erhöhen als zurückdrängen; es liegt also kein Fall einer Verdrängung des Selbstverteidigungsrechts der Opfer vor. Allen zurechnungsfähigen, nicht-kriminellen Erwachsenen sollte daher gestattet werden, Kurzwaffen zu besitzen und diese verdeckt zu tragen. Je weniger Hürden oder Kosten ihnen dabei in den Weg gelegt werden, desto besser, denn von jeder solchen Hürde ist zu erwarten, dass sie bei Opfern den Anteil der Fälle von Selbstverteidigung viel stärker herabsetzt als den Anteil der Bewaffneten unter den Kriminellen.[58]

Fußnoten

[1]Nicholas Dixon, „Why We Should Ban Handguns in the United States“, St. Louis University Public Law Review 12 (1993): 243–283, S. 283 u. 244.
[2]zur „Vermutung zugunsten der Freiheit“ siehe Joel Feinberg, Harm to Others: The Moral Limits of the Criminal Law (Oxford: Oxford University Press, 1984), S. 9
[3]Sie mag jedoch einen Ansatz zur Verdrängung eines Anscheinsrechts liefern, A zu tun. Siehe §2.2↓ unten.
[4]Vergleiche David Ross’ Begriff der „Anscheinspflicht“ (in The Right and the Good, Indianapolis: Hackett, 1988, S. 19f), aber beachten Sie, dass (entgegen des Eindrucks, der durch den Vergleich mit Ross entsteht) es sich – so wie ich den Ausdruck verwende – bei einem Anscheinsrecht um ein echtes Recht handelt, nicht bloß um etwas, das für gewöhnlich ein Recht ist.
[5] Vergleichen Sie Judith Jarvis Thomsons Einwände zur Verdrängungstheorie (1986, „Self-Defense and Rights“, 33–48 in Rights, Restitution, and Risk. Cambridge, Mass.: Harvard University Press, S. 42–44). Von den Ansätzen zur Selbstverteidigung, die Thomson bespricht, kommt die „sachliche Spezifikations“-Sicht meiner am nächsten; ich ziehe es jedoch vor, statt zu sagen, jemand verfüge nicht über das Recht auf Leben, lieber vom „Ceteris-Paribus“-Recht auf Leben zu sprechen (unter sonst gleichen Bedingungen ist es falsch für andere, jemanden zu töten). Die Schwierigkeit, alle Ausnahmen aufzuzählen, welche Thomson anführt (S. 38–39), ist nicht schlüssig, denn Ceteris-Paribus-Einschränkungen kommen in philosophischen und sonstigen Grundsätzen häufig vor, und wir erwarten selten die Angabe aller Ausnahmen.
[6]Siehe Derek Parfits Besprechung der Bedürfniserfüllungstheorie, der hedonistischen Theorie und der Ziellistentheorie (in Reasons and Persons, Oxford: Clarendon Press, 1987, S. 4). Die beiden letzteren lassen zu, dass Interessen und Absichten einer Person voneinander abweichen.
[7]Dies hebt sich von der Sicht ab, welche Todd Hughes und Lester Hunt („The Liberal Basis of the Right to Bear Arms“, Public Affairs Quarterly 14, 2000, S. 7) vorschlagen: „Angenommen die Stärke der Gründe zur Anerkennung eines Rechts seien proportional zur Wichtigkeit der menschlichen Interessen, die es schützt.“ Beachten Sie jedoch, dass die Argumente, welche sie in jenem Abschnitt vorbringen, ebenso gut auf mein Verständnis von Rechten passt.
[8]Dieser Schluss ist fragwürdig: Vielleicht kann ein Mensch ein Interesse zu etwas moralisch Schlechtem haben. Aber nehmen wir an, die Befürworter behaupten, dies träfe hier nicht zu, vielleicht weil man ein aufhebendes Interesse hat, tugendhaft zu sein.
[9]Der Zweck des Beispiels mag durch Unglauben gegenüber den anti-homosexuellen Prämissen vernebelt werden. Aber man kann Beispiele von Paaren finden (egal ob homo- oder heterosexuell), deren Beziehungen ihnen emotional selber schadet, und ich nehme an, dass selbst in solchen Fällen ein gewaltsamer Eingriff in solche Beziehungen keine Bagatellverletzung des Rechts wäre.
[10]Umfragen ergeben, dass ungefähr die Hälfte der amerikanischen Männer und ein Viertel der amerikanischen Frauen Waffen besitzt (siehe Harry Henderson, Gun Control, New York: Facts on File, 2000, S. 231; John Lott, More Guns, Less Crime, 2nd ed., Chicago: University of Chicago Press, 2000, S. 37 u. 41).
[11]siehe National Safety Council, Injury Facts, 1999 Edition (Itasca, Ill.: National Safety Council, 1999), S. 8f u. 44f; National Safety Council, „Odds of Death Due to Injury, United States, 1998“ (URL: http://www.nsc.org/lrs/statinfo/odds.htm, abgerufen am 22. Mai 2002). Dort wird die Tatsache übersehen, dass es sich bei den meisten Unfalltoten vermutlich um die Waffenbesitzer selbst handelt. Zählten wir bei den Unfällen nur Todesfälle von Dritten, fiele die Häufigkeit vermutlich viel geringer aus.
[12]siehe Dixon 1993, „Why We Should Ban Handguns in the United States“ St. Louis University Public Law Review 12: 243–283, S. 266. Ähnlich äußert sich Jeff McMahan (unveröffentlichte Kommentare zu diesem Aufsatz, 7. Januar 2002): „die meisten [Morde] passieren, wenn ein stinknormaler Mensch durch eine ungewöhnliche Verkettung von Umständen über eine bestimmte emotionale Schwelle hinweg gestoßen wird.“
[13]Lott More Guns, Less Crime S. 8; U.S. Department of Justice, „Bureau of Justice Statistics Special Reports: Murder in Large Urban Counties, 1988“, Washington, D.C.: U.S. Government Printing Office, 1993; U.S. Department of Justice, „Bureau of Justice Statistics Special Reports: Murder in Families“, Washington, D.C.: U.S. Government Printing Office, 1994.
[14]Feinberg (Harm to Others, S. 193–198) bespricht Besitzkartensysteme als Alternative zu pauschalen Verboten oder Erlaubnissen von riskanten Aktivitäten wie dem Waffenbesitz. Aus Platzgründen ist es nicht möglich, ausführlich darauf einzugehen ebenso wie auf andere gemäßigte Vorschläge zur Waffenreglementierung. Um Bedenken zu zerstreuen, ich griffe eine Strohmann-Position an, verweise ich darauf, dass einige Verfechter der Waffenbeschränkung offen ein pauschales Feuerwaffenverbot oder ähnliche Maßnahmen, wie ein Kurzwaffenverbot, unterstützt haben (siehe Marvin Wolfgang, „A Tribute to a View I Have Opposed“, Journal of Criminal Law and Criminology 86 [1995]: 188–192, S. 188; Dixon, „Why We Should Ban Handguns“; Nicholas Dixon, „Perilous Protection: A Reply to Kopel“, St. Louis University Public Law Review 12 [1993]: 361–391; Deborah Prothrow-Stith und Michaele Weissman, Deadly Consequences [New York: Harper-Collins, 1991], S. 198), und dass laut Umfragen 20 % der Bevölkerung ein Totalverbot von Feuerwaffen befürwortet (Henderson, Gun Control, S. 246). Des Weiteren ermöglicht uns die Untersuchung dieses Vorschlags, den theoretischen Rahmen zu entwickeln, der für die Bewertung weniger extremer Formen der Waffenreglementierung notwendig ist.
[15]Siehe beispielsweise den Austausch zwischen Dixon und Kopel (Dixon, „Why We Should Ban Handguns“ und „Perilous Protection“; David Kopel, „Peril or Protection? The Risks and Benefits of Handgun Prohibition“, St. Louis University Public Law Review 12 [1993]: 285–359), bei dem Dixon dieses Gewicht früh als „unbedeutend“ verwirft, und keine Seite es wieder erwähnt, obwohl Kopels Antwort in anderer Hinsicht gründlich ist.
Die Jagd wirft andere ethische Fragen auf, die wir hier nicht behandeln können. Aber im Vorbeigehen mag sich die Beobachtung lohnen, dass jeder ethische Einwand zur Jagd schwächer wäre als solche, welche auf alternative Methoden der Fleischgewinnung (Massentierhaltung) zutreffen.
[16]Lexikalisch x übergeordnet zu sein, bedeutet in der lexikalischen Ordnung der Güter höher als x zu stehen. Bakal (The Right to Bear Arms, New York: McGraw-Hill, 1966, S. 340) scheint bei der Besprechung von Waffenbeschränkungen dieser Sicht beizupflichten. Beispielsweise postuliert Rabbi Moshe Tendler (zitiert in Edward Keyserlingk, Sanctity of Life or Quality of Life, Law Reform Commission of Canada, 1982, S. 21) ausdrücklich den „unendlichen“ Wert allgemein von jedem Teil des Lebens.
[17]Ich unterstelle, dass jene, die behaupten, Leben sei jedem Betrag von Freizeitgenuss überlegen, ebenso sagen, jede Verlängerung eines Lebens sei jedem Betrag von Freizeitgenuss überlegen. Sonst wäre die lexikalische Überlegenheit des Lebens für die Waffenrechtsdiskussion ohne Belang – Schusswaffengewalt hindert keinen Menschen daran, ein Leben zu haben, sondern verkürzt nur vorhandene Leben.
[18]Es fällt schwer, wissenschaftliche Informationen zur Bestätigung zu finden, obgleich anekdotische Berichte von der zentralen Bedeutung von Feuerwaffen im Leben von Enthusiasten leicht verfügbar sind (beispielsweise Abigail Kohn, „Their Aim Is True: Taking Stock of America’s Gun Culture“, Reason, Mai 2001: 26–32). Selbst Verfechter von Waffenbeschränkungen reden von Amerikas „Waffenkult“ und „Waffenliebe“ (beispielsweise Michael Bellesiles, Arming America: The Origins of a National Gun Culture, New York: Alfred A. Knopf, 2000, S. 3–9).
[19]Die jährliche Zahl der Todesfälle durch Feuerwaffen in Amerika einschließlich Selbstmorden liegt bei etwa 35.000 (Henderson, Gun Control, S. 225). Ungefähr 77 Millionen Amerikaner besitzen Schusswaffen (ebenda, S. 231; Lott, More Guns, Less Crime, S. 37 u. 41), obgleich die meisten vermutlich keine Enthusiasten sind. Dies ergibt ein Verhältnis von 2200:1. 46 % der befragten Waffenbesitzer geben Jagd oder Sportschießen als Hauptgrund für das Bereithalten einer Waffe an (Henderson, Gun Control, S. 234).
[20]Ein alternativer Vorschlag würde den Verkauf neuer Waffen unterbinden in der Hoffnung, den Nachschub über die Jahrzehnte hinweg auszutrocknen. Meiner Ansicht nach würde dies immer noch die Rechte von Menschen verletzen, die Schusswaffen erwerben wollen, und außerdem wäre der zu erwartende Einfluss auf den Waffengebrauch von Kriminellen viel geringer. Jedenfalls betrachte ich der Einfachheit halber nur den Vorschlag zur Konfiszierung.
[21]Gary Kleck, Targeting Guns: Firearms and Their Control, New York: Aldine de Gruyter, 1997, S. 170–174 u. 190; Lawrence Southwick, „Self-Defense with Guns: The Consequences“, Journal of Criminal Justice 28 (2000): 351–370.
[22]Arthur Kellerman und Donald Reay, „Protection or Peril? An Analysis of Firearm- Related Deaths in the Home“, New England Journal of Medicine 314 (1986): 1557–1560.
[23]Hugh LaFollette, „Gun Control“, Ethics 110 (2000): 263–281, S. 276 (Betonung hinzugefügt). Dixon („Why We Should Ban Handguns“, S. 276) zitiert die Statistik fälschlich mit 53 statt 43; Ihm ist jedoch zu gute zu halten, dass er zugibt, dass die Zahl aufgebauscht ist, und er sagt, dass stattdessen der Wert 2,94 eingesetzt werden solle.
[24]Kellerman und Reay, „Protection or Peril?“, S. 1559
[25]Kleck, Targeting Guns, S. 162–164 u. 178. Kleck schätzt, dass in ungefähr 1 % der Fälle des defensiven Waffengebrauchs ein Schuss abgegeben wird, und dass in einem von tausend der Täter erschossen wird, obgleich diese Zahlen Mutmaßungen zu sein scheinen. Kopel („Peril or Protection?“, S. 343) schätzt, dass höchstens 1 % des defensiven Waffengebrauchs zu einem Todesfall führt.
[26]Kleck, Targeting Guns, S. 269–292.
[27]Hughes und Hunt („Liberal Basis“, S. 13–14) bringen dieses Argument vor.
[28]Kopel („Peril or Protection?“, S. 342) zitiert Fälle, die im Time-Magazine (17. Juli 1989 u. 14. Mai 1990) besprochen wurden und andeuten, dass vielleicht 3/4 der Fälle von Selbstverteidigung ursprünglich nicht von Polizei und Staatsanwaltschaft als solche bezeichnet werden.
[29]Dixon, „Why We Should Ban Handguns“, S. 248–253; LaFollette, „Gun Control“, S. 275; J. H. Sloan, A. L. Kellermann, D. T. Reay, J. A. Ferris, T. Koepsell, F. P. Rivara, C. Rice, L. Gray u J. LoGerfo, „Handgun Regulations, Crime, Assaults, and Homicide: A Tale of Two Cities“, New England Journal of Medicine 319 (1988): 1256–1262 (obgleich Sloan nur zwei Städte miteinander vergleicht). Beachten Sie aber, dass die Korrelation empfindlich darauf reagiert, welche Länder man zum Vergleich heranzieht (siehe Edgar Suter, „Guns in the Medical Literature—A Failure of Peer Review“, Journal of the Medical Association of Georgia 83 [1994]: 133–148, S. 142)
[30]Kopel, The Samurai, The Mountie, and the Cowboy: Should America Adopt the Gun Controls of Other Democracies? (Buffalo, N.Y.: Prometheus, 1992); zusammengefasst in Kopel, „Peril or Protection?“ S. 304–307
[31]Zu (i) und (ii) siehe §5.1.2↑ unten sowie Kopel, „Peril or Protection?“ 1993, S. 308. Zu (iii) siehe Lott, More Guns, Less Crime, S. 114. Lotts Zahlen zur Korrelation zwischen Waffenbesitz und Kriminalitätsrate beinhalten u. a. Kontrollvariablen für die Häufigkeit von Verhaftungen, Einkommen, Bevölkerungsdichte. Zu (iv) siehe Don Kates, Henry Schaffer, John Lattimer, George Murray und Edwin Cassem, „Guns and Public Health: Epidemic of Violence or Pandemic of Propaganda?“ Tennessee Law Review 62 (1995): 513–596, S. 571–574.
[32]Kleck, Targeting Guns, S. 149–152 u. 187–188.
[33]Gary Kleck und Marc Gertz, „Armed Resistance to Crime: The Prevalence and Nature of Self-Defense with a Gun“, Journal of Criminal Law and Criminology 86 (1995): 150–187; ausführlicher behandelt in Kleck, Targeting Guns. Einen Hinweis auf den zwingenden Charakter der Studie gibt die Reaktion von Wolfgang, der sich selbst als einen „so überzeugten Verfechter der Waffenreglementierung, wie man ihn in unter Kriminologen in diesem Land überhaupt finden mag“ („Tribute“, S. 188) bezeichnet, aber anschließend einräumt: „Nichtsdestotrotz ist die aktuelle Studie von Kleck und Gertz methodologisch eindeutig solide. Ich kann sie nicht weiter erörtern.“ (S. 191)
[34]Im Jahre 1993, dem Jahr der Kleck-Gertz-Studie, geschahen nur etwa 25.000 Morde (U.S. Federal Bureau of Investigation, Crime in the United States 1995: Uniform Crime Reports [Washington, D.C.: U.S. Government Printing Office, 1996; URL [vom Übersetzer aktualisiert, abgerufen 3. Jan. 2014]: http://www.fbi.gov/about-us/cjis/ucr/crime-in-the-u.s/1995/95sec2.pdf], S. 14f). Es ist nicht plausibel, dass die Zahl der Morde, die durch die Anwesenheit von Schusswaffen vermieden wurde, so stark die Zahl der tatsächlich verübten Morde überschreitet, selbst wenn wir zugestehen, dass Menschen, die einem erhöhten Risiko von Mordversuchen ausgesetzt sind, eher Waffen besitzen.
[35]Kleck, Targeting Guns, S. 159f. Beachten Sie jedoch, dass die Zahlen, die für die Häufigkeit von Schusswaffendelikten angenommen werden, sich auf den NCVS und FBI-Berichte (FBI’s Uniform Crime Reports) stützen, welche Straftaten, bei denen es sich nicht um Tötungsdelikte handelt, stark unterschätzen, weil die Opfer in solchen Fällen seltener Anzeige erstatten.
[36]Hemenway („Survey Research and Self-Defense Gun Use: An Explanation of Extreme Overestimates“, Journal of Criminal Law and Criminology 87 [1997]: 1430–1445) sowie Philip J. Cook, Jens Ludwig und David Hemenway („The Gun Debate’s New Mythical Number: How Many Defensive Uses Per Year?“ Journal of Policy Analysis and Management 16 [1997]: 463–469) haben behauptet, alle Umfragen lieferten starke Überschätzungen vielleicht um den Faktor 30. Die Skepsis von Cook und Ludwig hinsichtlich der Nützlichkeit von Umfragen zur Schätzung der Häufigkeit defensiven Waffengebrauchs kam auf, nachdem eine Studie, an der sie gearbeitet hatten, Ergebnisse lieferte, welche Klecks Arbeit bestätigte (Cook et al., „Gun Debate“, S. 464f). Siehe Gary Kleck, „Degrading Scientific Standards to Get the Defensive Gun Use Estimate Down“, Journal on Firearms and Public Policy 11 (1999): 77–137, für Erwiderungen auf ihre Einwände.
[37]Cook et al., „Gun Debate“, S. 468. Eine Analyse von Daten aus früheren Jahren liefern David McDowall und Brian Wiersema, „The Incidence of Defensive Firearm Use by U.S. Crime Victims, 1987 through 1990“, American Journal of Public Health 84 (1994): 1982–1984; sowie Gary Kleck, „Crime Control through Private Use of Armed Force“, Social Problems 35 (1988): 1–21, S. 9; und Philip J. Cook, „The Technology of Personal Violence“, in Crime and Justice: A Review of Research, vol. 14, Hrsg. Michael Tonry (Chicago: University of Chicago Press, 1991), S. 54–56.
[38]Kleck, Targeting Guns, S. 152–154.
[39]Siehe McDowall und Wiersema („Incidence“, S. 1983), obgleich sie nicht meinen, dass uns diese Tatsache davon abhalten sollte, der NCVS zu vertrauen.
[40]John Lott und David Mustard, „Crime, Deterrence, and Right-to-Carry Concealed Handguns“, Journal of Legal Studies 26 (1997): 1–68; ausführlich besprochen in Lott, More Guns, Less Crime.
[41]Lott, More Guns, Less Crime, S. 46
[42]ebenda, S. 70–81
[43]ebenda, S. 51 u. 73. Auf S. 122–158 geht er auf verschiedene Einwände von Befürwortern von Waffenbeschränkungen ein.
[44]LaFollette, „Gun Control“, S. 273f.
[45]Ausgehend von geschätzten 230 Millionen Waffen in Privatbesitz innerhalb der Vereinten Staaten (Kleck, Targeting Guns, S. 63–70 u. 96–97), kann im Falle eines Waffenverbots von einem großen Schwarzmarkt ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang bemerkt Kopel („Peril or Protection?“, S. 319), dass sowohl die Alkohol- wie auch die Drogenprohibition jeweils einen großen Schwarzmarkt zur Folge hatte, und den Bürgern die Beschaffung nicht sonderlich erschwerte.
[46]Kleck, Targeting Guns, S. 205f u. 213. Die Statistik beinhaltet alle Teilnehmer, die angaben, im Vorjahr mindestens einmal eine Schusswaffe geführt zu haben, wobei die Mitnahme in einem Fahrzeug eingeschlossen war. Durchschnittlich gaben Waffenträger an, im Jahr an 140 Tagen Waffen geführt zu haben. Scharfe Waffengesetze bezüglich des verdeckten Führens halten vermutlich viele andere davon ab, ihre Waffen an öffentlichen Orten zu führen.
[47]James Wright und Peter Rossi, Armed and Considered Dangerous: A Survey of Felons and Their Firearms (Hawthorne, N.Y.: Aldine de Gruyter, 1986), S. 144–146.
[48]H. J. McCloskey, „An Examination of Restricted Utilitarianism“, Philosophical Review 66 (1957): 466–485, S. 468f; 1963. Ich habe das Beispiel leicht abgewandelt.
[49]Diese Ansicht stößt auf breite Akzeptanz; siehe Samuel Scheffler, The Rejection of Consequentialism, 2. Ausgabe (Oxford: Clarendon Press, 1994), S. 80; Robert Nozick, Anarchy, State, and Utopia (New York: Basic Books, 1974), S. 28–31 [Anarchie – Staat – Utopia, Olzog]; Thomas Nagel, „Nozick: Libertarianism without Foundations“, in Other Minds: Critical Essays 19691994 (New York: Oxford University Press, 1995), S. 145.
[50]siehe Philippa Foot, „The Problem of Abortion and the Doctrine of the Double Effect“, Oxford Review 5 (1967): 5–15; Judith Jarvis Thomson, „Killing, Letting Die, and the Trolley Problem“, The Monist 59 (1976): 204–217.
[51]Gemäß einer informellen Umfrage des Autors unter Studenten. Es handelt sich um eine klare Mehrheit, selbst wenn die Studenten zuvor mit dem Beispiel vom Arzt konfrontiert wurden, der einen Patienten tötet, um dessen Organe an fünf andere Patienten zu verteilen.
[52]Foot („Problem of Abortion“) verteidigt diesen Grund.
[53]zu weiteren Schwierigkeiten siehe Jonathan Bennett, The Act Itself (Oxford: Clarendon Press, 1995)
[54]Thomson, „Killing“; Allerdings gibt Thomson später eine andere (und in meinen Augen weniger befriedigende) Theorie zu diesen Fällen an in The Realm of Rights (Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1990), S. 180–200).
[55]Diese Art von Beschuldigungen scheinen die Grundlage für den Vorwurf der moralischen Verkommenheit an die Waffenbranche zu sein (beispielsweise Ronald Green, „Legally Targeting Gun Makers: Lessons for Business Ethics“, Business Ethics Quarterly 10 [2000]: 203–210; George Brenkert, „Social Products Liability: The Case of the Firearms Manufacturers“, Business Ethics Quarterly 10 [2000]: 21–32). Es ist bemerkenswert, dass selbst diese Kritiker Einschränkungen der Verkäuferverantwortung, der von mir vorgeschlagenen Art, zu akzeptieren scheinen.
[56]Das „Atomraketenbeispiel“ (welches gelegentlich in informellen Diskussionen aufkommt) stellt nur die extreme Form des Einwandes dar. In dem Zusammenhang hat Hugh LaFollette (in unveröffentlichten Kommentaren zu diesem Aufsatz) eingewendet, meine Position führe zur Existenz eines Rechts auf den Besitz von Maschinengewehren, Granaten und Bazookas.
[57]Ungefähr 670.000 von Klecks geschätzten 2,5 Millionen defensiven Waffeneinsätzen im Jahr ereignen sich außerhalb der Wohnung des Anwenders (Kleck, Targeting Guns, S. 192).
[58]Ich möchte Charles Barton, Ari Armstrong, Valeria Damaio, Bruce Tiemann, Ananda Gupta, den anonymen Schiedsrichtern bei Social Theory and Practice und ganz besonders Stuart Rachels meinen Dank für Kommentare zu früheren Fassungen dieses Aufsatzes aussprechen.